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Diese Zeilen zu lesen, nützt wohl niemandem etwas

Diese Zeilen zu lesen, nützt wohl niemandem etwas. Das ist schön.

Das Denken vieler von uns scheint stärker ökonomisch geprägt zu sein als Münzen. Anders lässt sich nicht erklären, dass wir Lebewesen als Nutzvieh und die Natur als Ressource bezeichnen.
Dabei ist Nutzendenken als Massstab für die eigene Lebensführung ausserhalb der Ökonomie unnütz. Nutzen ist nämlich immer auf eine Konsequenz bezogen, somit zukunftsgerichtet. Leben passiert aber im Moment.

In der Schule spitzt sich die Situation zu. Viele Lehrperson der oberen Stufen durften sich wohl mehr Nutzen-Fragen seitens Schüler anhören als Jeff Bezos Dollar in der Minute verdient. Ein Klassiker aus dem Deutschunterricht: Was nützt es mir, ein Gedicht zu analysieren? Fragen wie diese implizieren einen Zielzustand, der im Leben zu erreichen ist. Aber unser aller Leben endet voraussichtlich gleich.

Handle ich nutzenorientiert, kann ich also gar nie zufrieden sein. Fragt man Schüler zurück, wann ihnen etwas nützt, entsteht ein Problem: «Mir nützt etwas in der Schule, wenn ich das im Beruf brauchen kann, um viel zu verdienen, um mir damit wiederum ein Haus kaufen zu können.» Diese Um-zu-Kette läuft unendlich weiter. Logiker sprechen hier von einem infiniten Regress. Ironischerweise wird mit diesem immer ökonomischeren Denken viel Geld gemacht, denn noch nie stand eine so grosse Auswahl an Achtsamkeits-Ratgebern in Buchhandlungen zum Verkauf. Auch mir nützt das Schreiben gegen den Nutzen.

Dabei hat uns Opa Platon bereits im antiken Griechenland die Achtsamkeits-Lebensweisheit schlechthin offenbart. Seiner Ansicht nach bestand das Leben darin, nach dem Guten, Wahren und Schönen zu streben. Diese Ziele sind, anders als Nutzen, nicht zukunftsorientiert, sondern im Hier und Jetzt verankert: Ein Gedicht zu analysieren, ist eine schöne Tätigkeit, die im Moment Freude macht. Mehr Nutzen geht nicht.