Der "Gefällt mir"-Button auf Social Media gefällt mir nicht.
Der «Gefällt mir»-Button auf Social Media gefällt mir nicht. Im digitalen Kolosseum urteilen wir anders als Cäsar zwar nicht über Leben und Tod (zumindest nicht unmittelbar). Doch wir «Gefällt mir»-Drücker scheinen uns nicht minder anmassend zu verhalten als der Typ mit dem Gewürzkranz auf dem Kopf. Mit jeder digitalen Beurteilung, die wir abgeben, stellen wir uns neben Cäsar auf die Empore, weit weg vom eigentlichen Geschehen.
Ähnlich wie im Kolosseum bedeutet der «Gefällt mir»-Button nicht notwendigerweise, dass das Gesehene gut ist, sondern dass wir mehr davon sehen wollen. Gefallen enthält hier als Begriff dementsprechend eine quantitative und keine qualitative Bedeutung. Dazu passend schlagen uns Algorithmen entsprechend unserer Likes, die wir geben, ähnliche Beiträge vor. Schliesslich
hoffen auch die Plattformbetreiber auf mehr und nicht gute Likes. So gesehen böte sich anstelle eines «Gefällt mir»-Buttons ein «Weiter so»-Button an.
Begründen wir unsere Likes nicht, kann niemand wissen, was wir am Beitrag mögen. Doch das spielt auf Social Media für die Sender, Empfänger und Betreiber häufig keine Rolle. Dass wir eine Meinung haben, genügt vielen. Dabei hätten wir mit Kommentarspalten die Möglichkeit, unsere Gedanken nachvollziehbar zu formulieren. Doch wie Cäsar begnügen wir uns häufig mit dem blossen Urteil. Wir wollen anderen offenbar zeigen, dass wir eine Meinung haben, und nicht, warum wir diese haben.
Diese Inhaltsleere zeigt sich mittlerweile auch bei brisanten und weniger brisanten Gesprächen im Alltag: «Du musst dir diese Serie anschauen.» «Warum?» «Sie gefällt mir.» «Warum?» «Weil sie gut ist.»
Ob solche Beurteilungen ohne nachvollziehbare Begründung ein schönes Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft fördern, kann ich nicht beurteilen. Zumindest nicht mit einem Daumen nach unten oder oben.