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Lange weilen

Ich hoffe, dass dieser Text trotz oder ­gerade dank seiner Kürze langweilt. Langeweile, wenn ich länger darüber nachdenke, erscheint mir nämlich unterbewertet. Die wohl meisten Dinge, die uns Freude bereiten, weilen häufig leider zu kurz. Auch die Phasen der Langeweile. Man denke hierbei an die paar Stunden während der Ferien, in denen wir uns erlauben, einfach dazuliegen und nichts zu tun. Trotzdem behandeln wir die Langeweile wie viele Kinder die Scheibe Gurke im Burger. Obschon gerade diese das kulinarische Erlebnis des Burgeressens krönt.

Natürlich macht es Freude, der ­Neugier zu folgen und auf dem Smartphone zu schauen, wer wo welche Gedanken oder Ideen gepostet bzw. inszeniert hat. Dass Gedanken anderer uns mehr interessieren als unsere eigenen, erscheint indes irritierend. Schliesslich scheinen viele von uns Freude an sich selber zu haben, was ironischerweise auf Social Media zu sehen ist. Der Burger auf dem anderen Teller sieht immer leckerer aus.

Langeweile im klassischen Sinn entsteht dort, wo wir eine raum-zeitliche Eingrenzung erfahren. Als Schüler im Unterricht, beim Warten auf den verspäteten Zug oder auf einer Familienfeier. Genau diese äussere Beschränkung eröffnet die grenzenlosen Möglichkeiten unseres Geistes. Plötzlich werden aus Wolken leckere Burger, servierbereit am Himmel, aus wartenden Passagieren wilde Tiere, die um ihr Überleben kämpfen, und der Bierschaum im Glas verbildlicht die eigene Stimmung.

Das Gefühl der Untätigkeit leidet in einer tätigen Gesellschaft unter seinem schlechten Ruf. Kaum jemand kommt und lobt eine Person für ihre Lange­weile, die sie spürt. Mit Langeweile ist schliesslich nichts gewonnen. Das ­lernen auch viele Kinder viel zu früh: «Anstelle davon, dass du dich da einfach langweilst, komm und hilf mir doch beim Belegen des Burgers.»

Wenn wir uns und das Leben aber wirklich gerne haben, sollten wir uns öfter langweilen. Oder diesen Text ­lesen. Ist vielleicht dasselbe.