Raumschiff
Nach einem 178-tägigen Aufenthalt an Bord der ISS kehrte Astronaut Ronald John Garan mit einer tiefgreifenden Erkenntnis zurück: Aus dem Orbit erscheint die Erde als eine Einheit – eine leuchtend blaue Sphäre ohne Grenzen oder Teilungen, ein zerbrechliches Schiff im Dunkel. Von dort oben wird deutlich: Wir alle teilen uns dasselbe Zuhause. Zurück auf der Erde ist von dieser Perspektive nicht viel zu spüren; wir verstricken uns in politische Debatten, teilen in Nationen ein, ziehen Grenzen und begeben uns in den täglichen Wettstreit um Macht, Geld und Status. Doch das, was uns auf der Erde trennt, ist aus dem All unsichtbar. Garan beschreibt, wie dünn und verletzlich die Atmosphäre wirkt – jener zarte Schleier, der alles Leben auf diesem Planeten möglich macht. Und gleichzeitig, wie faszinierend die Nordund Südlichter tanzen oder Blitze aufleuchten wie Stroboskoplichter. Das Weltall macht sichtbar, wie fragil und zugleich einzigartig die Erde ist. Aus dieser Sicht ist klar: Unsere Prioritäten sind verdreht. Wir stellen die Wirtschaft an die Spitze, obwohl die richtige Reihenfolge lauten müsste: Planet Gesellschaft Wirtschaft. Doch in unserer Welt dominiert oft das «ich, alles, sofort». Wir konsumieren, als gäbe es unendliche Ressourcen. Wir konkurrieren, als ginge es ums Überleben. Dabei verlieren wir aus dem Blick, dass ein Miteinander so viel schöner ist – und am Ende sogar einfacher. Eine kleine Episode, die ich kürzlich beobachtet habe: Auf der Autobahn überholte ein Lastwagen einen anderen LkW. Der Fahrer auf der rechten Spur bemerkte dies, nahm etwas Tempo raus und signalisierte schliesslich mit der Lichthupe, dass der Überholende gefahrlos wieder vor ihm einspuren konnte. Der andere bedankte sich mit dem Warnblinker. So eine einfache Szene. Aber für mich zeigte sie einen kurzen Moment des Respekts, der Rücksicht und der Zusammenarbeit. Und genau dies hat mich berührt. Wie oft erleben wir stattdessen, dass der Überholte noch beschleunigt – fast so, als würde ihm etwas weggenommen? Solche Situationen sind ein Sinnbild für ein grösseres Miteinander. Wir haben die Wahl: Wollen wir «gegeneinander fahren», ständig im Wettbewerb, immer im «Mehr, Schneller, Jetzt»? Oder wollen wir verstehen, dass wir alle Teil derselben Crew auf diesem Raumschiff Erde sind – angewiesen aufeinander und auf das fragile Gleichgewicht unseres Planeten? Die Antwort ist off ensichtlich. Es liegt an uns, die Prioritäten neu zu setzen. Nicht das endlose Wachstum, nicht der kurzfristige Profi t sollten unser Massstab sein, sondern das Wohlergehen unserer Erde, und aller Lebewesen, die auf ihr leben. Denn wir sind keine Passagiere – wir sind die Besatzung. Und nur gemeinsam können wir unser Raumschiff am Leben erhalten.