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Giovanni

Er lacht nicht. Er schmunzelt nicht. Er ist freundlich und abwesend zugleich. Und er spricht alle an, die am Strand über den schmalen Holzsteg und am Restaurant, für das er arbeitet, vorübergehen. Er fragt auf englisch, woher man komme und wechselt sofort in die Landessprache der Gefragten. Er erzählt, dass er Giovanni heisse, weil seine Eltern Italiener seien, dass er zwei Kinder habe, die er während der Saison nicht gesehen habe und es tue ihm leid, dass auf der Insel, auf der wir einander begegnen, so viel Müll liege, wo doch das ägäische Meer so klar und hellblau sei. Wie viel Müll die Touristen verursachen, sagt er nicht. Nur, dass heute die Fähre nicht weiterfahre, wegen des Windes und dort drüben, dort sitze wieder die ältere, einsame Frau aus der Schweiz, schaut mal, sie wartet jeden Abend herausgeputzt auf eine mögliche Liebe, die nicht kommt. Ich denke an «Griechischer Wein» von Udo Jürgens und dass es damals die griechischen Gastarbeiter in der Schweiz waren, die ihre Familien vermissten und deren Herzen voller Heimweh waren. Er freue sich auf seine Familie, sagt Giovanni. Trotzdem, die Leute hier, die werde er vermissen. 

Das Restaurant, vor dem Giovanni animiert, ist stets voll. Von weitem schon ruft er den Gästen, die er ein, zwei Tage zuvor kennengelernt hat, ihre Namen entgegen. Er weiss sie alle. Spricht mit denen portugiesisch und mit jenen russisch. Antwortet in Spanisch, Französisch, Schweizerdeutsch. Da kommen die Israelis, sagt Giovanni. Und ja, tatsächlich, die spricht er in Hebräisch an. Giovanni, wie viele Sprachen sprichst du eigentlich?


Japanisch will ich noch lernen, sinniert er und schaut mich an: Elf. Aber nur neun fast perfekt und zählt sie auf. Zwei muss er noch vertiefen: Russisch und Chinesisch. Wie ist das möglich? Ich lerne jeden Tag mindestens ein neues Wort. Seit vielen Jahren. Ich mache das einfach für mich. Giovanni, du wärst der perfekte Protagonist in einem Film. Ich könnte das in den Sozialen Medien machen, überlegt er. Als Komiker. Der nie lacht, denke ich. Giovanni, du würdest reich dabei. Er schaut mich an. Vielleicht. Aber ich mag das Internet nicht.