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Grosser Appetit auf Geld

Geld und Essen | Lebensmittelproduzenten streben häufig eine möglichst hohe Produktivität an, und der Endkonsument möchte möglichst wenig für sein Essen bezahlen. Dafür bezahlen andere einen hohen Preis.

| Thomas Abplanalp | Gesellschaft
Geld und Essen
Ausschnitt aus «Food for Profit». In der Mitte: Filmemacherin Giulia Innocenzi. Foto: zvg

Viele Konsumierende möchten wenig Geld für Essen ausgeben. Dementsprechend versuchen Lebensmittelproduzenten, ihre Produkte möglichst günstig zu produzieren, häufig zulasten der Qualität. Konsumierenden ist das bewusst, häufig aber egal. Ein Teufelskreis entsteht.

Viel Geld für grosse Schweinerei

Welche Auswirkungen dieser Teufelskreis beispielhaft nehmen kann, zeigt der Dokumentarfilm «Food for Profit» von Giulia Innocenzi und Pablo D’Ambrosi. Die investigative Dokumentation feierte Ende März ihre Schweizer Premiere. Sie beleuchtet Zusammenhänge zwischen der Fleischindustrie, Lobbyarbeit und dem Europäischen Parlament in Brüssel. Dafür schleusten die Filmemacher Personen als Arbeiter in Massentierhaltungsbetrieben in Spanien, Deutschland und Italien ein. Zudem ermöglichte ihnen ein Lobbyist in Brüssel mit einer versteckten Kamera Einblicke in Gespräche zwischen Lobbyisten, Wissenschaftlern, Journalisten und Parlamentariern.

Die Aufnahmen des Arbeiters, den sie in verschiedene grosse Massentierhaltungsbetriebe eingeschleust haben, zeigen unzumutbare und unwürdige Zustände für die nichtmenschlichen Tiere und für die dort arbeitenden Personen. Ganz abgesehen von den verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt.

Dass längst nicht alle kleineren und grösseren Massentierhaltungsbetriebe- genügend Sorge zum Wohl empfindungsfähiger Lebewesen tragen, überrascht nicht. An Brisanz nimmt diese Ausgangssituation gemäss Film zu, weil die gezeigten Betriebe von der EU Subventionen erhalten. Innocenzi und D’Ambrosi liefern hierfür einen Erklärungsansatz: In den Ausführungen der EU zur Agrarpolitik fehlt eine eindeutige Definition und Eingrenzung des Begriffs «intensive farming», sprich Massentierhaltung. Insgesamt subventioniert die EU die europäische Agrarpolitik mit 387 Milliarden Euro. Diesen hohen Betrag rechtfertigt sie mitunter mit den im Rahmen des Green Deals zu erreichenden Nachhaltigkeitszielen.

Produktivität, Produktivität, Produktivität

«Food for Profit» stellt diese Widersprüchlichkeit als Folge der intensiven Lobbyarbeit im Europäischen Parlament dar. Die Filmemacher schleusten einen vermeintlichen Lobbyisten nach Brüssel, der sich mit Abgeordneten des EU-Parlaments und wichtigen Personen der europäischen Fleischindustrie traf. Der vermeintliche Lobbyist stellte den Leuten beispielsweise abstruse Ideen vor, wie Tiere genetisch manipuliert werden könnten, damit sie beispielsweise sechs Beine hätten und entsprechend mehr Fleisch hergäben. Einige der Gefragten empfanden die Idee als gut und zielführend, um die Produktivität zu steigern.

Auch deckt der eingeschleuste Lobbyist in der Dokumentation auf, wie einzelne Journalisten oder Wissenschaftler ihre Arbeit gezielt den Forderungen und Begehren der Fleisch- und Milchindustrie anpassen. Dadurch können deren Vertreter ihre Anliegen rechtfertigen. Die Wissenschaftler und Journalisten erhalten im Gegenzug eine (finanzielle) Unterstützung, Spende oder eine Plattform mit grosser Reichweite. Dasselbe gilt auch für gewisse EU-Parlamentarier, die die Interessen der Fleischindustrie vertreten und durchzusetzen versuchen.


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