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Genuss und Verdruss

Leben | Essen gehört in der Schweiz zum täglichen Brot, ist für viele etwas Selbstverständliches. Dabei sind die Auswirkungen unserer Essgewohnheiten nicht zu unterschätzen.

| Thomas Abplanalp | Gesellschaft
Leben
Auch hinter kleinen Portionen steckt häufig viel Aufwand. Foto: Adrian Hauser, farbgarage.ch

Sobald wir etwas essen, setzen sich komplizierte biochemische Prozesse in Gang. Diese sorgen dafür, dass unser Körper als Organismus weiterlebt. Aber abgesehen von individuellen körperlichen Prozessen hängt Essen immer auch mit Prozessen in der Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zusammen.

«Essen ist ein komplexes Thema, ein komplexes und unterschätztes Thema», sagt die Berner Psychologin Ronia Schiftan. Essgewohnheiten entstünden während des gesamten Lebens, also könne man sie ändern. «Dafür braucht es Geduld und Toleranz. Und vor allem muss man wissen, warum man sie eigentlich ändern möchte», so Schiftan.

Dazu kommt ihrer Ansicht nach, dass Essen nur eine von vielen Lüsten in unserem Alltag sei. Viele Menschen geben beispielsweise lieber Geld für Ferien aus, weil sie die Befriedigung dieser Lust höher gewichten. Damit liesse sich auch der «tiefe Stellenwert von kulinarischem Genuss in der Schweiz» erklären.

Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt (2,1 Personen) gab im Jahr 2020 gemäss Bundesamt für Statistik 6,5 Prozent seines Bruttohaushaltsbudgets für Nahrungsmittel und nicht alkoholische Getränke aus. Gastronomieausgaben, alkoholische Getränke und Tabakwaren eingerechnet, belaufen sich die Ausgaben auf etwas mehr als 10 Prozent. Schweizerinnen und Schweizer geben also relativ wenig Geld für Essen und Trinken aus.

Das stellt die Landwirtschaft gerade im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit vor grosse Herausforderungen. Dass die Schweizer Landwirtschaft insgesamt aktuell zu wenig nachhaltig produziert, hängt gemäss Ronald Fischer vom Verein Aaretal Feldprodukte mit den günstigen Preisen zusammen, zu denen sie ihre Produkte bereitstellen müssen. «Je günstiger die Preise sind, desto günstiger ist die Produktion und desto weniger bleibt für nachhaltige Massnahmen übrig», so Fischer. Dazu zählt er beispielsweise die Produktion ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Diese sei deutlich teurer, weil der Ernte-ertrag im biologischen Anbau sinke.

Zwischen den Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft besteht also eine komplexe Wechselwirkung. Ein exemplarischer Blick in die Landwirtschaft, Psychologie, Politik und ins Unternehmertum zeigen bereits, warum Essen eine bittersüsse Angelegenheit ist.


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