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Eine bäumige Geschichte

Ich bin neidisch. Auf den Biber. Warum? Weil er darf, was mir verwehrt bleibt: unbescholten Bäume fällen. Nicht dass ich gerne Bäume fällen würde. Nein, das ist es nicht. Meine Spezialisten von Stadtgrün und mich reut jeder Baum, den wir ummachen müssen. Aber manchmal ist es unumgänglich. Zunehmende Hitze, Krankheiten, falscher Standort oder ganz einfach das Erreichen des natürlichen Lebensendes sind alles Gründe dafür. Und so tun wir halt, was wir tun müssen. Risikominderung. Trotzdem sehen wir uns häufig grosser Empörung und Kritik ausgesetzt. Regelmässig werden Einsprachen erhoben. Das scheint – nicht nur im Zusammenhang mit Bäumen – eine neue Art von Volkssport zu sein. Aber gerade wenn es um die Sicherheit im öffentlichen Raum geht, frage ich mich dann schon, wie es wohl um der Einsprechenden Verantwortung stünde, wenn einmal etwas geschehen und Personen zu Schaden kommen würden?

Item. Das alles kümmert den Biber nicht. Er fällt die Bäume, die er will. Meistens gesunde. Schade darum. Sein Vorteil: Auf ihn ist niemand böse. Im Gegenteil, alle finden ihn herzig. Ich auch. Immerhin können wir uns so die Schuld für die auf öffentlichem Grund gefällten Bäume etwas teilen. Wir sollten eine Kooperation eingehen. Wenn er nur diejenigen fällen würde, die auch auf meiner Fällungsliste stehen, wäre nämlich uns beiden gedient: Er hätte genügend Nahrung und Baumaterial und ich weniger Reklamationen. Regeln könnten wir unsere Zusammenarbeit im neuen Biberkonzept (ja, das gibt’s!), in dem die Stadt Thun zusammen mit dem Kanton und anderen Gemeinden Lösungsansätze für das gute Nebeneinander zwischen den Nagetieren und uns Menschen festgeschrieben hat. Ob sich der Biber daran halten wird? Wir werden sehen. Gut wäre es. Weil seine Population wächst. Da er in etwa denselben Schutzstatus geniesst wie Bäume, ist eine Regulation durch den Menschen heikel. 

Apropos Regulation: Der Wolf ist da. In Thun. Sofort wurde das Video auf sämtlichen (a)sozialen Medien geteilt und kommentiert. Die einen «bibbern» um ihre Katzen, Hühner und Meerschweinchen, andere freuen sich über die Präsenz des Raubtiers. Die ganze Kontroverse still und leise beobachtend stellte ich mir vor, was es bedeuten würde, wenn der geschützte Wolf als natürlicher Gegner des geschützten Bibers dessen Bestand regulieren würde und so wiederum unsere geschützten Bäume besser geschützt wären. Ob das die Lösung wäre? Ich weiss nicht. Wenn es dann keine Biber mehr hätte, wäre ich wieder allein für jeden gefällten Baum im öffentlichen Raum verantwortlich – und müsste womöglich noch ein Wolfskonzept ausarbeiten … Übrigens: Die Stadt Thun pflanzt jedes Jahr mehr Bäume, als sie fällt. Nicht für den Biber, sondern zur Förderung des Stadtklimas und der Biodiversität.

Reto Schertenleib (SVP) ist Gemeinderat der Stadt Thun und Vorsteher der Direktion Bau und Liegenschaften.