Eine winzige Geste
Neulich liess ich einem anderen Auto den Vortritt. Der Fahrer bedankte sich mit einem kurzen Blinksignal. Eine winzige Geste. Und doch hat sie mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Ich fuhr weiter – und merkte, dass ich mich darüber wirklich freute. Und gleichzeitig fragte ich mich: Warum freue ich mich eigentlich nicht öfter über solche kleinen Augenblicke? Wenn ich mich auch über die scheinbar kleinen Dinge im Leben freue, kann ich mich ja viel öfter freuen :-)
Wir warten oft auf das Grosse: den Urlaub, den Erfolg, die Veränderung. Und dabei übersehen wir, dass das Leben dazwischen stattfindet – in all den kleinen Augenblicken, die wir meist gar nicht richtig wahrnehmen. Dabei gibt es so viele einfache, kleine Dinge, über die wir uns freuen könn(t)en: einen schönen Abendhimmel. Unser Lieblingslied im Radio. Zeit mit unseren Lieblingsmenschen verbringen. Ein Tier streicheln. Oder einfach der Moment, wenn wir morgens aufwachen und uns (fast) nichts wehtut.
Doch oft merken wir erst dann, wie kostbar und wichtig uns etwas war, wenn es plötzlich fehlt. Wenn der Körper nicht mehr mitmacht. Wenn jemand nicht mehr anruft. Wenn der Alltag plötzlich stiller wird. Dann erschrecken wir – und stellen fest, dass wir vieles für selbstverständlich genommen haben. Dass wir dachten, es sei einfach «normal». Dabei war es in Wahrheit ein Geschenk.
Dankbarkeit beginnt nicht erst, wenn alles «fertig» ist. Sie beginnt dort, wo wir bereit sind, auch das Kleine zu sehen. Und Demut bedeutet vielleicht genau das: zu erkennen, dass uns nichts garantiert ist. Dass das Leben kein Anspruch ist, sondern ein Angebot. Und dass dieses Angebot jeden Tag neu gemacht wird.
Vielleicht ist es ein stiller Akt der Stärke, sich zu freuen. Nicht auf das Wochenende, nicht auf den Sommer, nicht auf den Ruhestand. Sondern auf den Moment. Auf jetzt. Und dass wir das «Jetzt» mit den Menschen verbringen dürfen, die wir lieben.
Nicht jeder Tag ist gut. Aber in jedem Tag steckt etwas Gutes. Und wenn wir die kleinen Dinge schätzen lernen, finden wir noch viel mehr.