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Nach Bronze tauchen

Thunersee | In der vierten Ausgabe von «Archäologie aktuell. Berner Funde frisch aus dem Boden» präsentieren das Bernische Historische Museum und der Archäologische Dienst des Kantons Bern (ADB) die neusten Funde aus dem Thunersee – aus der Bronzezeit. Die Ausstellung liefert einen spannenden Einblick in die wissenschaftlichen Methoden des ADB und erweitert die Ausstellung «Und dann kam Bronze» um den neusten Diskurs.

| Bettina Gugger | Gesellschaft
Nach Bronze tauchen
Ein Taucher schwimmt entlang einer sogenannten Erosionskante am Grund des Thunersees. Foto: ADB, Carlos Pinto

Das Partyzelt, das einst bei Ausgrabungen in Augusta Raurica zum Einsatz kam, weist deutliche Gebrauchsspuren auf. Jetzt bildet es die Kulisse der Ausstellungsreihe «Archäologie aktuell. Berner Funde frisch aus dem Boden» des Bernischen Historischen Museums und des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern (ADB). Das Format soll die Zusammenarbeit zwischen dem Museum und dem ADB stärken. Dieser entstand 1970 im Haus, wurde dann später nach Bümpliz ausgelagert. Seither habe es immer nur punktuelle Zusammenarbeiten gegeben, so Vanessa Haussener, Kuratorin Archäologie.

Auf vier mal sechs Metern werden hier dem Publikum regelmässig die neusten «Bodenschätze» des Kantons vorgestellt, aus aktuellem Anlass von blubbernden Unterwassergeräuschen untermalt, wie sie die Tauchequipe des ADB während ihrer Arbeit begleiten.

Die neusten Funde stammen aus dem Thunersee. Edel ausgearbeitete Gewandnadeln, Beile, Meissel, einen Ring, ein reich verziertes Messer, ein Hammer- und ein Sichelfragment sowie eine Lanzenspitze aus Bronze überreichte der Sporttaucher Daniel Rubin 2014 dem ADB.

«Archäologische Funde sind seit 1912 abgabepflichtig», erklärt Haussener. «Erhält der ADB einen solchen Fund, überprüft er die Echtheit des Objektes und untersucht die Fundstelle», so Haussener. «Dabei werden nur archäologische Reste geborgen, denen die endgültige Zerstörung droht.» Da die Fundstelle im Thunersee in der Fahrrinne der Kursschiffe liegt, sind diese Siedlungsreste stark von Erosion betroffen und müssen entsprechend geborgen werden. Alle vier Jahre wird der Seespiegel des Thunersees abgesenkt, um die Ufer zu reinigen. Während dieser Zeit kann der ADB für drei Monate seinen Bergungsarbeiten nachgehen.

Bereits der erste Tauchgang des ADB 2015 bestätigte die Vermutung, dass Rubins Funde von einer ehemaligen Pfahlbausiedlung stammen. Solche Siedlungen waren im Kanton Bern bis anhin vor allem vom Schweizer Mittelland bekannt. Die Taucher sicherten unter anderem weitere Keramikfragmente und ein Beil aus Bronze. Der ADB datiert diese Funde auf 1050 bis 950 v. Chr.

Zeit der Repräsentation

Eine weitere Fundstelle – die Siedlungsreste erstrecken sich über ein Areal von insgesamt 15 000 Quadratmetern, was der Fläche von zwei Fussballfeldern entspricht – lieferte bei der ersten Rettungsgrabung 2020 eine Schmucknadel aus Bronze und weitere Schmuckstücke wie Gewandnadeln, datiert auf 1600 bis 1550 v. Chr. «Gewandnadeln dienten dazu, die Kleidung der Damen festzuzurren. Diese Gewandnadeln aus der Frühbronzezeit sind filigran, während die jüngeren Modelle aus der Spätbronzezeit pompös sind», so Haussener. «Mode ist keine moderne Erfindung», lacht die Archäologin. «Die Bronzezeit war die Zeit der Repräsentation.» Die Legierung von 90 Prozent Kupfer und 10 Prozent Zinn revolutionierte das steinzeitliche Leben. Mit dem neuen Werkstoff wurden Waffen, Werkzeuge und Schmuck geschmiedet. Neue Handelswege entstanden, zum ersten Mal in der Geschichte konnte Reichtum angehäuft werden, was zu sozialen Differenzierungen und Zunahme der kriegerischen Aktivitäten führte, wie die aktuelle Ausstellung «Und dann kam Bronze» des Bernischen Historischen Museums aufzeigt. Zu sehen sind unter anderem die 1829 geborgenen Grabbeigaben des «Königs von Thun», die auf 2000 bis 1750 v. Chr. datiert werden; Kleidernadeln, Gürtelhaken, ein Dolch und sechs Halsringe zeugen vom Reichtum des Verstorbenen. Eine mit eingelegten Goldstiften verzierte Beilklinge verweist auf die Handelsbeziehungen des Königs und die Handelswege, die Europa mit Ägypten, Vorderasien und der Ägäis verbanden, denn das Kunsthandwerk, das hinter der verzierten Beilklinge steht, ist vor allem aus der Ägäis und Mykene bekannt.

Altersbestimmung mittels Jahrringen

Bei den jüngsten Funden im Thunersee konnte der ADB mittels Dendrochronologie das Alter zweier aufeinanderfolgender Dörfer bestimmen, nämlich 1590 und 1550 v. Chr. Dabei wurden die geborgenen Hauspfähle untersucht. Mittels der Jahrringe des Holzpfahls wird eine Kurve ermittelt, die Auskunft über die Wachstumsbedingungen des gefällten Baumes gibt; breite Jahrringe stehen für gute, schmale Jahrringe für schlechte Jahre. Diese Kurve wird dann über die sogenannte Referenzkurve gelegt. Die Referenzkurve für die Eiche deckt die letzten 10 000 Jahre ab. «Da es keine 10 000-jährigen Bäume gibt, wird mit Hölzern gearbeitet, die sich zeitlich überlappen. So wird jeweils das nächstältere Holz angefügt, womit eine lückenlose Abfolge von Jahrringbreiten erstellt werden kann», erklärt Haussener. Mit den jahrgenauen Datierungen der Pfähle lassen sich schliesslich Aussagen über die zusammenhängende Struktur einer Siedlung machen. «Die jüngste Forschung geht davon aus, dass die Pfahlbauer nicht im, sondern am Wasser gelebt haben.» Der Wasserstand sei damals viel niedriger gewesen als heute, so Haussener.

Und was würde die Archäologin einen Menschen von damals fragen, wenn sie eine Zeitreise unternehmen könnte? «Ich würde gerne wissen, ob das alles stimmt, was ich da erzähle.»

Bernisches Historisches Museum, «Archäologie aktuell. Berner Funde frisch aus dem Boden» bis 20. Oktober 2024, «Und dann kam Bronze» bis April 2025. Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr. Exklusivführung und Besuch des Dendrolabors und der Tauch-basis in Sutz-Lattrigen, 8. Juni, 13 bis 17 Uhr mit Vanessa Haussener, Lukas Schärer, stv. Leiter Ressort Prähistorische und Unterwasser-archäologie, und Matthias Bolliger, Leiter Dendrolabor, beide ADB.
Anmeldung und weitere Infos unter www.bhm.ch.


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