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Infrastruktur am Anschlag

Thun • Gegen die geplante Überbauung auf dem Areal «Bostudenzelg» in Thun wurde das Referendum ergriffen. Das Referendumskomitee moniert, dass vor der Erstellung riesiger Überbauungen die Infrastruktur angepasst werden soll. Zudem will man einen demokratischen Prozess in Gang setzen.

| Adrian Hauser | Politik
Auf dem Areal «Bostudenzelg» sollen 600 Wohnungen entstehen. (Bild: Martin Rindlisbacher/zvg)

Am 3. Juli 2025 genehmigte der Stadtrat von Thun die Überbauungsordnung «Bostudenzelg Bläuerstrasse» mit 37 zu 1 Stimmen, also mit einer deutlichen Mehrheit. Es war ein Beschluss, der dem fakultativen Referendum unterliegt. Damit ein solches zustande kommt, mussten innerhalb von 30 Tagen mindestens 800 Unterschriften gesammelt werden. Also just über die Sommerferien, während denen viel Leute in den Ferien sind. Ohne jemandem etwas unterstellen zu wollen, fragt sich Ava Cornelsen vom Referendumskomitee, ob dies etwa eine Absicht war, um ein mögliches Referendum gleich zu Beginn zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Trotz der suboptimalen Terminierung schaffte es das Referendumskomitee, innerhalb der gesetzten Frist ganze 1379 gültige Unterschriften zusammenzukriegen. Eine sportliche Leistung, die an den Tag legt, dass dieses Thema die Bevölkerung offenbar bewegt. Und zwar nicht nur jene in den angrenzenden Quartieren, sondern in ganz Thun. «Es ist kein lokales Problem, sondern geht alle etwas an», sagt Ava Cornelsen. Dass innerhalb kurzer Zeit so viele Unterschriften zusammenkamen, zeigt in den Augen von Ava Cornelsen auf, dass eine Abstimmung zu diesem Thema notwendig ist. So habe man Unterschriften von ganz unterschiedlichen Leuten, unterschiedlichen Alters aus unterschiedlichen Quartieren und auch aus dem Stadtzentrum erhalten. «Es ist kein lokales Problem, bei dem es um Partikularinteressen der Anwohnenden geht» führt Ava Cornelsen weiter aus. «Das Thema geht die ganze Stadt etwas an!»

Schulen am Limit

«Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, dass man neue Wohnungen baut», stellt die Lehrerin und Mutter im Gespräch klar. Doch die Infrastruktur sollte in ihren Augen angepasst werden, bevor man solche Grossprojekte umsetzt. Die Schulen seien unter anderem durch Lehrermangel bereits jetzt am Limit, es werde zu wenig für die Sicherheit der Kinder auf den Schulwegen getan, und auch der Verkehr sei am Anschlag. Dies komme auch daher, dass es in Thun gemessen an der Bevölkerung vergleichsweise wenig Arbeitsplätze gibt – und auch wenig neue geschaffen werden. Dies führe dazu, dass ein grosser Teil der arbeitenden Bevölkerung pendeln müsse. 

Zurzeit seien mit verschiedenen Grossprojekten rund 2000 neue Wohnungen in Planung. Auf dem Areal «Bostudenzelg» sollen 600 neue Wohnungen entstehen. Das ist schön und gut. Doch in der Stadt Thun mit einer Leerwohnungsziffer deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt fehlt es vor allem auch an günstigem Wohnraum. Bis 2045 sollen daher 1000 gemeinnützige Wohnungen gebaut oder in Planung sein. Ava Cornelsen erinnert daran, dass der tiefe Leerwohnungsbestand schon seit Längerem bestehe. Es seien bis heute zwar neue Wohnungen gebaut worden, doch seien das aber vor allem teure Wohnungen und Eigentumswohnungen, wo keine Wohnbaugenossenschaften als Garanten für günstigen Wohnraum dahinterstünden. In den Äusserungen und dem tatsächlichen Handeln der Behörden sieht sie einen Widerspruch: Man bekenne sich zwar dazu, dass es günstigen Wohnraum brauche. Doch auch im vorliegenden Projekt sei der Bau von günstigen Wohnungen erst in der Schlussphase geplant. Zuerst würde man die teuren Wohnungen auf den Parzellen der Bernischen Pensionskasse und des Baukonzerns Frutiger bauen. Erst danach wolle man auf den Parzellen der Stadt bauen, die ihren Boden im Baurecht der IG Bostuden abgeben will, hinter der verschiedene Genossenschaften und soziale Institutionen stehen. 

Demokratischer Prozess

Ava Cornelsen lebt selbst im Quartier, ist vom Bauprojekt aber nicht direkt betroffen, wie sie angibt. Dem Referendumskomitee sei es grundsätzlich auch ein Anliegen, zu dieser Sache einen demokratischen Prozess ins Rollen zu bringen. «Das Volk soll die Gelegenheit erhalten, sich dazu zu äussern», erklärt sie. Viele Leute hätten vom Vorhaben nichts gewusst, wenn sie sich nicht aktiv informiert hätten. Ein Referendum hat gemäss Ava Cornelsen an der Urne denn auch gute Chancen. Der Gemeinderat hat die entsprechende Volksabstimmung auf den 30. November festgelegt, was zu einer Verzögerung im Bauplan führt.


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