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Steigende Prämien fördern Armut

Hintergrund • Während reiche Haushalte den Prämienanstieg verkraften können, ist er für arme Haushalte verheerend. Caritas schlägt Alarm: Die Krankenkassenprämien seien ein wichtiger Grund, warum Menschen in Armut gerieten.

| Adrian Hauser | Politik
Künftig mehr leere Spitalbetten durch Stärkung des ambulanten Bereichs? (Bild: Adrian Hauser)

Ende September gab das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bekannt, dass die Krankenkassenprämien nächstes Jahr erneut steigen werden. Die mittlere Krankenkassenprämie wird 2026 demnach 393.30 Franken pro Monat betragen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Anstieg von 4,4 Prozent. Für Erwachsene steigt die mittlere Monatsprämie für die Krankenkasse um 18.50 Franken (4,1 Prozent) auf 465.30 Franken. Diejenige für junge Erwachsene erhöht sich um 13.30 Franken (4,2 Prozent) auf 326,30 Franken. Für Kinder steigt sie gegenüber 2025 um 5.70 Franken (4,9 Prozent) auf 122.50 Franken. Die mittlere Prämie wird berechnet, indem alle in der Schweiz bezahlten Prämien addiert und durch die Gesamtzahl der Versicherten in der Schweiz geteilt werden. 

Während der Anstieg für Kinder und junge Erwachsene also noch relativ moderat ist, müssen ältere Versicherte bereits tiefer in die Tasche greifen, um ihre eigene Gesundheit abzusichern. Die Prämien werden jeweils von den Versicherern, also den Krankenkassen festgesetzt. Das BAG prüft diese auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und bewilligt sie nach allfälligen nötigen Anpassungen.

Heilmittel «einheitliche Finanzierung»

Gemäss BAG sind die steigenden Krankenkassenprämien «eine direkte Folge der weiterhin wachsenden Kosten im Gesundheitswesen», denn die Prämien müssen für jeden Versicherer und jeden Kanton die erwarteten Kosten decken. So seien per Ende Juni 2025 die Kosten im Jahresvergleich um 4,6 Prozent gestiegen. Gemäss BAG hat die Kostenzunahme im Gesundheitswesen viele Gründe. «Dazu zählen», so das BAG, «positive Entwicklungen wie die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung oder der medizinische Fortschritt mit neuen Behandlungsmöglichkeiten und innovativen, aber kostspieligen Medikamenten.» Daneben würden aber auch die Nachfrage nach medizinischen Leistungen pro Kopf steigen sowie die Preise, die zwischen den Leistungserbringern und den Versicherern verhandelt werden. Weiter trägt auch die Verlagerung vom stationären zum ambulanten Bereich vorübergehend zur höheren finanziellen Belastung der Versicherten bei. Diese Ambulantisierung sei medizinisch sinnvoll und politisch gewollt, weil sie insgesamt kostendämpfend sei. «Da ambulante Behandlungen aktuell aber ausschliesslich aus Prämien der Versicherten finanziert werden, während stationäre Behandlungen von den Kantonen teilfinanziert werden, führt diese Verlagerung aktuell noch zu einer höheren Belastung für die Prämienzahlenden», so das BAG weiter. Dies soll sich aber ab 2028 ändern, wenn die einheitliche Finanzierung der Gesundheits­leistungen in Kraft tritt. 

Belastung wird höher

Auch das BAG sieht ein, dass die Krankenkassenprämien für viele Menschen eine finanzielle Belastung sind. Denn die Prämien sind in den vergangenen Jahren unaufhörlich gestiegen. Gemäss den Zahlen des BAG stiegen die Kosten für die jährliche mittlere Prämie der obligatorischen Krankenversicherung zwischen 2014 und 2023 um rund 800 Franken. Im Jahr 2024 stiegen sie um weitere 8,7 Prozent, 2025 um weitere 6 Prozent. Die Belastung der Konsumentinnen und Konsumenten wird also immer höher.

Gemäss dem Sozialalmanach von Caritas ist das Leben in der Schweiz insgesamt teurer geworden. Die Lebenshaltungskosten seien von 2022 bis 2023 so stark gestiegen wie schon lange nicht mehr. Zwar hat die Teuerung seit Mitte 2023 etwas nachgelassen; das bedeute aber nicht, dass die Konsumentenpreise sänken – sie stiegen einfach weniger stark an. «Und gerade die Wohnungsmieten und die Krankenkassenprämien, die das Portemonnaie von ärmeren Haushalten stark belasten, steigen scheinbar unaufhaltsam weiter», so Caritas in ihrem Sozialalmanach. Es sei daher wenig erstaunlich, dass diese Kostensteigerungen zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung gehörten. 

Doch gemäss Caritas sind nicht alle Haushalte von den steigenden Preisen in den vergangenen Jahren gleich stark betroffen. Je ärmer ein Haushalt, desto mehr Geld gibt er im Verhältnis zu seinem Einkommen für Konsumgüter aus. Steigen also die Konsumentenpreise, ist das gemäss Caritas für ärmere Haushalte ein viel grösseres Problem als für reichere. Ganz besonders zeige sich das bei den grundlegenden Bedürfnissen Wohnen, Essen und Trinken, Kleider sowie Gesundheit, die den Grossteil der Ausgaben von Haushalten mit kleinem Budget ausmachen. Doch am meisten würden die Mieten und Krankenkassenprämien zur Ungleichheit und damit zur zunehmenden Verarmung von finanzschwachen Haushalten beitragen. Die Krankenkassenprämien belasten gemäss Caritas die ärmsten Haushalte mit gut 20 Prozent, wovon nur etwa ein Drittel durch die individuellen Prämienverbilligungen aufgefangen wird. Für die reichsten Haushalte seien diese Kosten allerdings marginal. 

Caritas «alarmiert»

Vom erneuten Anstieg der Prämien aufs nächste Jahr ist Caritas alarmiert. Der Anstieg sei «horrend», da die Löhne zurzeit stagnieren würden. Für eine zunehmende Zahl von Menschen mit tiefen Einkommen sei dies nicht verkraftbar, wenn gleichzeitig auch die Mieten weiter anstiegen. «Diese Entwicklung macht uns grosse Sorgen. Ausgaben für Wohnen und Gesundheit fressen bei ärmeren Haushalten inzwischen im Schnitt etwa die Hälfte des Bruttoeinkommens auf. Der neuerliche Prämienanstieg ist für sie ein Schock», sagt Aline Masé, Leiterin der Fachstelle Sozial­politik bei Caritas Schweiz. Und: «Die steigenden Krankenkassenprämien sind ein wichtiger Grund, weshalb Menschen in Armut geraten.


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