«Als Kind faszinierte mich das Verbeugen»
Puppentheater Chnopf • Marco Schneiter und Fabio Tresch verbindet ihre Profession, die auch ihre Leidenschaft ist: das Figurentheater. Marco Schneiter ging in Spiez zur Schule und lebt heute in Thun. Seit seiner Kindheit ist er fasziniert vom Theater, das ihn seit 45 Jahren begleitet.

«Mein Wunsch war immer, Stabpuppentheater zu machen, nicht Kasperltheater», sagt Marco Schneiter. «Lange fand ich aber keinen Spielpartner.»
Doch von Anfang an: Als Marco Schneiter 18 Jahre alt war, gründete er mit seiner damaligen Spielpartnerin die Puppenbühne «Urania». 15 Jahre lang waren die beiden damit unterwegs, bis seine Spielpartnerin aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste.
Ausserdem war Schneiter als Amateurschauspieler bei der Mundartbühne
Uetendorf engagiert. «Als meine Kasperltheater-Kollegin 2011 aufhörte, fiel ich in ein Loch. Ich wusste nicht, wie ich allein weitermachen sollte …»
Eines Tages vernahm Schneiter, dass die Figurenspielerin Lisbeth Häubi aufhöre. Er fasste sich ein Herz und rief sie an. «Ich fragte sie, ob ich von ihr Puppen übernehmen könne.» Häubi riet ihm, sich mit einem, den sie kenne und der ebenso Puppentheater-«infiziert» sei wie er selbst, in Verbindung zu setzen. «Schon am selben Abend klingelte das Telefon – es war Fabio, der Mann, von dem mir Lisbeth Häubi erzählte. Sie hatte ihm sofort nach meinem Besuch meine Telefonnummer gegeben.» Marco und Fabio seien beide von den Ideen des jeweils anderen begeistert gewesen. Denn beide waren sie Fans der Figuren und Puppenspielkunst von Monika Demenga und Hans Wirth aus Bern. Zwar waren sie damals beide Neulinge im Gebiet des Stabpuppentheaters, «aber überzeugt davon, unsere Leidenschaft zu professionalisieren». So bot sich ihnen ein Stück von Therese Keller an, der Schweizer Puppentheater-Pionierin, deren Archiv sich bis heute im Schloss Münsingen befindet. «Doch wir hatten nicht viel Ahnung vom professionellen Spielen, keine Ahnung von Dramaturgie etc.» Allerdings stellte Fabio bereits damals schon wunderschöne Puppen her. Schliesslich fasste sich Marco Schneiter ein Herz und meldete sich bei Monika Demenga. «Ich bewundere ihre Kunst, seit ich fünf Jahre alt war. Monika und ihr Spielpartner Hans Wirth waren es, die mich durch meine Kindheit hindurch begleiteten.»
Echte Leidenschaft
Marco Schneiter wurde 1975 in Spiez geboren, absolvierte die Schule in Spiez, im Hofachernschulhaus, wo sein Vater Hauswart war. «Immer im November kamen die Puppenspieler Rolf Meier und Martin Friedli, die in den 1980er-Jahren das Berner Puppentheater gründeten. Später engagierte die Schulleitung Monika Demenga und Hans Wirth. Allein schon als ich ihre Ankündigungen sah, die Theaterplakate, war ich so aufgeregt, dass mich die Eltern nicht mehr zur Schule schicken konnten. Ich war nicht mehr aufnahmefähig.» Die so versäumten zwei Tage habe er vor- oder nachgeholt, lacht Schneiter. «Ja, ich war zu nichts mehr zu gebrauchen, so aufgeregt war ich.»
Die Eltern hätten ihn unterstützt, denn sein Herz schlug seit jeher für Theater. Auch im Kino Spiez habe die Familie Balmer, die das Kino bereits damals führte, dafür gesorgt, dass es dort, neben den Filmen, Theater-Gastspiele gegeben habe, die er regelmässig besuchen durfte.
Faszination Ehrerbietung
«Was mich aber am meisten faszinierte …», so Marco Schneiter, «… war das Verbeugen.» Also Dank und Demut der Schauspieler gegenüber dem Publikum, das offen und bereit war, zuzuschauen, und seinerseits mit Applaus reagiert, um die Darbietung zu würdigen und den Künstlerinnen und Künstlern Respekt zu zollen – sofern der Auftritt gefällt.
Nach den Darbietungen, die er als Kind aufsog, ging Marco Schneiter sofort heim in sein Zimmer. «Ich öffnete die Schranktüren, hängte eine Stange darüber, dann ein Tuch als Vorhang: So konnte ich stundenlang für mich selbst spielen.» Und was? «Verbeugen», lacht er. «Ab und zu holte ich meine Mutter, damit sie aufs Bett sässe und zuschaute. Dann kam ich hinter dem improvisierten Vorhang hervor und verbeugte mich abermals. Und sie musste klatschen.»
Auch seine Schwester liebe das Theater, aber er sei der Einzige der Familie, der es zum Beruf gemacht habe. Allerdings nicht ausschliesslich. Denn seit 23 Jahren arbeitet Marco Schneiter bei den SBB als Kundenbegleiter, 80 Stellenprozente hat er inne. So kann er die beiden Berufe miteinander vereinbaren. Sein Spielkollege, Fabio Tresch, ist Koch in Zürich, im Restaurant Casino Altstetten. Auch er habe einen toleranten Chef, der ihm das Figurenspiel nebenberuflich möglich mache. Ausserdem geben beide, wenn es nötig ist, Ferienwochen für ihre Leidenschaft.
Das erste Stück ist die Visitenkarte
Rückblick: Als Marco Schneiter und Fabio Tresch, lange bevor sie zum ersten Mal gemeinsam auftraten, schliesslich bei Monika Demenga vorsprachen – mit den selbst gebauten Puppen von Fabio –, sei diese begeistert gewesen. «Sie sprach uns Mut zu, unterstützte uns enorm und sagte, wir müssten Figurentheater machen, wir seien die Richtigen dafür.» Schliesslich gebe es heute kaum noch professionelle Puppenspieler. «Schon einen Tag nach unserem Treffen rief Monika Demenga an und erklärte, dass sie bereit sei, uns eines ihrer bühnenfertigen, bewährten Stücke zur Verfügung zu stellen.» «Ein ganzes Jahr lang probten wir gemeinsam mit ihr, die zu unserer Mentorin geworden war. Es war sehr, sehr streng. Es war Neuland für uns. Und Monika ist eine Perfektionistin …» So lernten und profitierten Schneiter und Tresch viel von Demenga. «Aber wir schwitzten auch …» Damals, im Jahr 2013, habe Fabio noch zwei Nachmittage in der Woche freigehabt und auch er, Marco, habe sich die gleichen Nachmittage freigenommen, um das Puppenspiel und damals das Stück «D’Rägefee» einzustudieren. «Es war eine harte, aber bereichernde Zeit.» Dafür sei er heute noch dankbar, so Marco Schneiter.
Irgendwann sagte Monika Demenga schliesslich, nun sei es an der Zeit, dass das Duo gemeinsam auftrete. «So begannen wir mit der ‹Rägefee›, sie wurde zu unserer Visitenkarte. Die Premiere durften wir sogar im Berner Puppentheater feiern.»
Poesie und Schwermut
Dann sei es Schlag auf Schlag gegangen. Das Duo hatte das Glück, sofort von einigen Schulen engagiert zu werden. Der Mann einer Freundin machte ihnen eine professionelle Homepage, Altersheime und Schulen, Kulturvereine und Theater wurden auf die beiden begabten Puppenspieler aufmerksam und buchten sie und ihre durch sie lebendig werdenden Puppen.
Bis anhin studierte das Duo fünf Stücke ein. Im kommenden Jahr will es das «Rumpelstilzchen» auf die Figurentheaterbühne bringen. Grimms Märchen mag Marco Schneiter allerdings nicht. «Sie sind furchtbar moralinsäuerlich.» Bis auf zwei: Dies seien eben das «Rumpelstilzchen» und «Jorinde und Joringel». «Wir würden das Stück eigentlich gern spielen, es ist sehr poetisch, aber auch sehr schwer.» So entschieden sie sich für ein lustigeres Stück: «Ds Rumpelstilzli».
«Wir halten die Stücke am Leben»
Schneiter und Tresch erhielten von Monika Demenga und Hans Wirth sehr viel Material, als diese schliesslich mit Spielen aufhörten. «Und sogar ihre Probebühne, wertvollen Samtstoff und vieles mehr. Sogar ein Stück durften wir noch übernehmen.» Wohl eines der bekanntesten und beliebtesten Stücke aus der Feder von Monika Demenga und Hans Wirth: «D’Glas-Chugle». Ein Herzensstück. Er wisse, dass es für Monika Demenga nicht einfach gewesen sei, das Stück weiterzugeben. «Es war ihr Lebenswerk.» Demengas Vertrauen ehre sie beide, so Schneiter. «Wir werden die Puppen lieben und das Stück ‹D’Glas- Chugle› im Sinne von Monika Demenga und Hans Wirth weiterleben lassen.»
Seit jeher macht Fabio Tresch, wie erwähnt, selbst Figuren. Wunderschöne, edle: Kunstwerke eben. Nun ist das Duo mit seinen Puppenkindern, den Stücken «Der Räuber Hotzenplotz», «De Heiwäg», «D’Rägefee» und «D’Glas-Chugle» unterwegs. «Ein Stück dauert ungefähr 50 Minuten», so Marco Schneiter. Insgesamt drei Stunden bauen Fabio Tresch und er jeweils die Bühne auf und wieder ab. Alles Technische erledigen sie selbst. Die Stücke des Puppentheaters Chnopf sind explizit für Kinder ab fünf Jahren und für Erwachsene gedacht. «Wir wurden auch schon für einen 70. Geburtstag engagiert», freut sich Marco Schneiter. «Spielten an Hochzeiten, in Altersheimen, an anderen Geburstagen und sogar Taufen.»
Und ja, wer Marco Schneiter erlebt, kann seine zwar unsichtbaren, doch überaus lebendigen kleinen Marionetten-Freunde, die ihn im Herzen stets begleiten, tuscheln hören.