Für ein Leben in Eintracht und Würde
Einigen • Katrin Berger, die in vier Tagen 48 Jahre alt wird, zog mit ihren Tieren vor vier Jahren auf einen Lebenshof in Frankreich. Weil diese Frau, die ab und an in der Region, aus der sie kommt, zu Besuch ist, einfach einmalig ist und ihr ganzes Leben den Tieren widmet, möchten wir sie hier vorstellen.
Von der Schweizer Grenze aus sind es ungefähr zwei Stunden, bis man auf dem Lebenshof «Zwischen Himmel und Herde» ankommt, den Katrin Berger bewirtschaftet und wo sie mit den sanftmütigen Wesen namens Tiere lebt. Was für ein Paradies … Eva alias Katrin hält es zusammen. Vielleicht ist es eher eine Arche. Denn jene, weltweit gesehen, wenigen Tiere – und es sind doch an die Hundert –, die hier leben, werden überleben. Und zwar bis der Tod sie von der Erde scheidet, nicht willkürlich der Mensch. Katrin Berger ist eine, die der Ohnmacht entschlossen entgegentritt. Ist es auch im Moment ein Tropfen auf den heissen Stein. Irgendwann kühlen viele Tropfen den Stein ab und werden zu einem See der Hoffnung. Wenn man auch nicht die ganze Welt verändern kann, so ändert sich doch für die Tiere, die Berger auf ihrem Lebenshof aufnimmt, die ganze Welt. Davon ist sie überzeugt. Sonst könnte sie nicht tun, was sie tut. Und sie tut es richtig: Ihre Tiere sind gepflegt und zufrieden. Das sieht man von Weitem – und trotz des Novembernebels.
Unter Freunden: «Das ist mein Leben!»
Ab und an hebt sich eine Silhouette daraus hervor, zeigt dem menschlichen Auge nur langsam die Wunder dieser Welt. Dann dampft es aus den Nüstern der Pferde, aus den Rüsseln der Schweine, den Schnäbeln, Nasen und Schnauzen all der Tiere, die hier ein Leben ohne Angst verbringen dürfen. Katrin Berger schafft das mit Volontärinnen und Volontären, die ihr zur Hand gehen. Für ein Leben in Eintracht und Würde aller. Warum machst Du das, Katrin? «Weil es sich wichtig und richtig anfühlt, und vorleben mehr bringt als nur reden.» Und: «Hier, in der Einfachheit, unter all meinen Freunden: das ist mein Leben.» Hunde, Katzen, Minischweine, Hasen, Hühner mit Hahn, Pferde, Ponys, Esel. Berger ermöglicht den heimatlosen Tieren auf dem Lebenshof ein Leben in Frieden. Doch nicht nur das. Braucht ein Tier Hilfe, sind die Tierärzte in Frankreich nicht immer (sofort) zur Stelle. Das «Es-war-schon-immer-so-dass-man-Tiere-isst» dominiert noch mehr als hierzulande. Zudem ist das Land weit und die Wege lang. So muss Berger oft selbst anpacken. Ruft dann die Tierarztpraxis ihres Vertrauens an und lässt sich beraten. «Kürzlich habe ich einem der Esel einen schmerzenden Wackelzahn gezogen», sagt sie. «Danach die Wunde gepflegt. Heute geht es ihm sehr gut. Er frisst vergnügt.» Die Wunder, die Katrin Berger auf ihrem Hof «Zwischen Himmel und Herde» erlebt, geschehen täglich. Es sind deren viele: «Tiere, darunter auch zutiefst traumatisierte, die nun in Frieden und Vertrauen leben dürfen, öffnen sich dem Menschen, und wundervolle Freundschaften entstehen.» Jedes der Tiere hat einen Namen, ein Geburtsdatum – die Geburtstage werden mit leckeren Happen gefeiert – und, sollte eines sterben, ein Todesdatum, an das sich Berger erinnert. Sie ist ein Vorbild, in so vielem. Tiere endlich als Freunde zu betrachten, sollte für den Menschen im KI-Zeitalter selbstverständlich sein. Aufhören mit dem Speziesismus ist nicht allein Bergers Auftrag: Es sollte jener eines jeden modernen Menschen sein.
Das kleine Schweinchen
Noch nicht vor langer Zeit setzten zwei junge Männer ihr ein kleines Schwein auf den Hof. Obwohl es nicht «geplant» war, noch mehr Schweine aufzunehmen, erbarmte sich Katrin Berger, nahm es auf, liess es kastrieren und integrierte es letztendlich Schritt für Schritt in die bestehende Rotte. «Ich erhalte wöchentlich Anfragen für Tiere», sagt sie. Doch sie könne auch aus finanziellen Gründen keine mehr aufnehmen. Mit einer Ausnahme: «Es gibt Anfragen mit fester, schriftlicher Zusage, dass das abgegebene Tier mit einem monatlichen Beitrag unterstützt wird. Einem Beitrag, der Unterhalt und Verpflegung über seine Lebensdauer hin deckt.» Schliesslich will sie, dass es ihren Tieren gut geht. «Jedes hat seinen eigenen Charakter, die meisten lieben Streicheleinheiten. Jedes ist ein Wesen mit Seele und Empfindsamkeit.» Die Mähnen der Pferde, weit draussen auf den riesigen Weiden, sind sonnendurchflutet. Eine Energie geht von diesen Tierwesen aus, die einen umfängt wie ein wohliger Geruch aus der Kindheit. Die Tiere spüren, dass sie hier beschützt und bewahrt werden.
Patinnen und Paten gesucht
Katrin Berger weiss nicht, wie lange sie in dieser Form weitermachen kann, «denn es gibt leider auch immer wieder verbindliche Zusagen für die Übernahme des Lebensunterhalts für eines der Tiere, die dann schon am nächsten Tag nichts mehr wert sind. Da wünschte ich mir, ich könnte zaubern.» Katrin Bergers Tag ist ausgefüllt mit der vielseitigen und aufwendigen Pflege der Tiere. Sie wünscht sich weitere Patinnen und Paten, die den Unterhalt der Tiere kontinuierlich finanziell unterstützen und dadurch helfen, unter anderem das Heu zu finanzieren, das die Tiere für den Tagesbedarf brauchen. «Auch kleine Beträge helfen sehr», sagt sie. «Denn fünfmal 20 geben auch 100 Franken.» Lange Zeit stemmte Berger den Grossteil der Kosten allein. Die Existenz des Hofes ist der Verdienst der ausgebildeten Drogistin, die Mensch und Tier, unter anderem mit Ayurvedamedizin und ganzheitlicher Therapie begleitet. «Spenden und Erlös der Patenschaften gehen an den explizit dafür gegründeten gemeinnützigen Verein und somit zu 100 Prozent zu den Tieren.» Wer den Hof am Anfang der Vogesen besuchen wolle, sei nach Anmeldung herzlich willkommen.
Ein Leben in Liebe
Wer aber sind die Tiere, die mit Katrin Berger leben? «Sie sind welche, die ein neues Zuhause brauchten», sagt Berger. «Ich gebe ihnen einfach einen Lebensplatz, und sie finden hier ihre neue Lebensaufgabe.» Es seien Tiere darunter, die ohne sie längst geschlachtet worden wären. «Weil man sie nicht reiten konnte, weil sie verletzt waren oder nicht mehr rentierten.» Die Hunde sind auf einem gesicherten Areal so frei wie möglich. Sie hat eine Herde Mearas: cremefarbene, anmutige Pferde mit glasklar blauen Augen, die die Zukunft zu erahnen scheinen. Verschmuste Ponys und Esel. Viele verschiedene Charaktere tummeln sich auf dem Hof. Von manchen Tieren, die zu ihr kamen, habe sie bereits im Voraus geträumt, so Katrin Berger. Doch trotz allem Optimismus: «Allein gehts so nicht wirklich weiter.» Sie sagt: «Wir leben in einer schnelllebigen Wegwerfgesellschaft.» Tiere seien oft noch immer eine Sache, deshalb ihr Entschluss zu helfen. «Wir nehmen ihnen die Würde.» Dabei gehe es im Leben doch darum, sich gegenseitig zu unterstützen. «Dazu kann jede und jeder Einzelne etwas tun.»
In der Energie der Tiere
Katrin Bergers engelhafte Präsenz, ihre Ausstrahlung und ihre innere Sicherheit strafen Zweifler Lügen. Die faszinierende Frau lebt bodenständig. Was sie ist: ein Mensch, der an das Gute glaubt und an die Möglichkeit von Liebe, Freiheit, Wertschätzung und Frieden. Und so wirkt sie auf die Tiere. «Bereits seit meiner frühesten Kindheit lebe ich verbunden mit Mensch und Tier», sagt sie. Sie tauscht sich regelmässig und weltweit mit Schamaninnen und Schamanen aus, lebt die schamanische Kultur des Nordens, hört auf ihre Träume, lebt ihre Visionen. Sie hat stets neue Ideen für weitere Projekte, Menschen sollen einbezogen werden. «Ich arbeite gern mit Menschen und Tieren gemeinsam.» In der Energie der Pferde, der Tiere, der Natur könne der Mensch gesunden, «öffnet sich erneut für sich selbst». Und: «Ich möchte mit Fotos und Posts meiner Tiere Freude machen und zeigen, dass es ihnen nun gut geht hier und die Menschen dadurch animieren, Pate für eines der Tiere zu werden (siehe Homepage zwischenhimmelundherde.com). Mit einem Ja zum Leben, aber auch einem Ja zu Sterben, wenn es so weit ist …»