Wiederkehrende Muster
Erlebnisbericht | Eine betroffene Frau erzählt, wie sie psychische und physische Gewalt in einer Beziehung erlebt hat. Oft verhalten sich die Täter nach einem bestimmten Muster, das bei allen ähnlich ist.

Angefangen habe eigentlich alles gut. Sie seien am Anfang sehr verliebt gewesen, ja, er habe sie mit Liebe überschüttet. Sie in den Himmel gelobt. Von Seelenverwandtschaft und von der Liebe des Lebens gesprochen. Die Frau aus Bern spricht überlegt, mit Bedacht. Ein bisschen, als berichte sie aus einer anderen Zeit, einem anderen Leben. Mit 24 ist sie mit ihrem heutigen Ex-Freund zusammengekommen. Durch die schier grenzenlose Liebe, die von ihm ausging, öffnete sie sich, zeigte sich verletzlich. Was sie damals nicht wusste: Sein Verhalten entsprach einem Verhaltensmuster. In der Fachsprache «Love Bombing» genannt. Den Ausübenden geht es darum, eine Person schnellstmöglich von sich abhängig zu machen. Das Verhalten ist oft vorgetäuscht. Unbewusst oder bewusst. Eine Form von emotionalem Missbrauch.
Die Beziehung wurde dann tatsächlich rasch missbräuchlich. Einseitig, versteht sich. Er habe zu übertriebener Eifersucht geneigt, machte ihr Kleidervorschriften, kontrollierte, beschimpfte und beleidigte sie. Verbale Gewalt oder psychische Gewalt nennt man das. Durch die Einschüchterungen wurde sie in eine defensive Rolle gedrängt. Sie verteidigte und rechtfertigte sich. Nicht nur sich. Sie begann auch sein Verhalten zu rechtfertigen. Er habe halt eine schlimme Kindheit gehabt. Sie versuchte, ihn zu verstehen.
Rechtfertigungen
Doch bei den verbalen Angriffen sollte es nicht bleiben. Bald flogen Gegenstände durch die Wohnung. Türen wurden eingeschlagen. Besonders erschreckend: Das alles geschah innerhalb einer Wohngemeinschaft, in der das Paar gemeinsam lebte. Niemand reagierte. Die anderen seien halt – alles Männer – seine Kollegen gewesen, berichtet die Frau. Die Männer haben sich gekannt – und sein Verhalten gerechtfertigt. Oder man tat es mit dem Alkohol ab, der zuweilen bei ihm floss. Die Situation eskalierte so richtig, als das junge Paar während eines halben Jahres eine Reise durch Südamerika unternahm. Die meiste Zeit verbrachten sie zusammen im Auto. Isoliert. Unter sich. Auf der Reise sei es dann zu physischer Gewalt gekommen. Bis zu «intimer Gewalt». Auch hier zeigten sich wieder für Täter typische Verhaltensmuster. Oft habe er sich danach entschuldigt, zeigte Reue. Oder stellte seine Taten so dar, als seien sie gar nicht geschehen, als sei alles gar nicht so schlimm. Sie schämte sich für sich und ihren Partner. Hatte daher auch Schwierigkeiten, mit anderen darüber zu reden.
Zurück in der Schweiz kam der Bruch. Sie merkte, dass etwas ändern musste, dass sie so nicht weiterleben konnte. Sie ging schliesslich für zwei Jahre ins Ausland, wo sie eine Traumatherapie machte. Seit einiger Zeit lebt die Frau nun wieder in Bern. Hat den Abschluss ihres Studiums in Angriff genommen. Und: Sie gründete ein Netzwerk für gewaltbetroffene Frauen, die «Sisters domestic violence and abuse Bern». Die Frauen treffen sich alle zwei Wochen und es gibt einen Instagram-Account. Der Austausch untereinander sei sehr heilsam. Rund 40 Frauen sind zurzeit dem Netzwerk angeschlossen. Für die Gründerin ein wichtiger Teil ihres eigenen Verarbeitungsprozesses. Sie habe für sich das Thema «intellektualisiert». Anderen betroffenen Frauen rät sie, sich über das Thema zu informieren, um die Situation zu verstehen. Weiter sollten Beweise von Drohungen oder Verletzungen gesammelt werden. Eine Drohung gilt nämlich bereits als Delikt. Und schliesslich gibt es diverse Opferberatungsstellen im Kanton Bern, die allen offenstehen.