Skip to main content

-


Anzeige


«Wir haben uns ein riesiges Problem eingehandelt»

Chemie im Wasser • Dr. Klaus Lanz ist Gründer und Leiter des unabhängigen Instituts «international water affairs». Als Chemiker, Wasserforscher und Publizist befasst er sich seit über 30 Jahren mit Wasserthemen. Nun ruft er zu dringendem Umdenken im Umgang mit Wasser auf. Dafür spricht er Klartext. 

| Sonja Laurèle Bauer | Gesellschaft
In der Schweiz können wir das Wasser unbedenklich aus dem Bach trinken – ist das wirklich noch so? (Bild: Sonja L. Bauer)

Dass wir nicht mehr so weitermachen können, ist für den Chemiker und Wasserforscher Klaus Lanz längst klar. Mit «so» meint er die Verschmutzung unserer Gewässer. «Man findet unzählige künstliche Chemikalien in den Gewässern, vor allem aber Nitrat aus der Gülle sowie Pestizide und deren Abbauprodukte», so Lanz. Am verbreitetsten sei Trifluor­acetat, kurz TFA. «Das ist eine Ewigkeits­chemikalie, die uns noch jahrzehnte­lang beschäftigen wird, weil sie von den natürlichen Reinigungsprozessen der Natur nicht abgebaut wird.» Sogar unsere menschliche Fortpflanzungsfähigkeit könnte dadurch in Gefahr sein. Was klinge wie eine Dystopie, sei leider wahr, so der Wissenschaftler. 

PFAS im Fleisch

In vergangener Zeit ist die Stoffgruppe der PFAS, also fluorierte Sulfonsäuren, in den Fokus gerückt. Als man an einigen Orten im Fleisch von Kühen PFAS über den gesetzlichen Höchstwerten feststellte, ging man zunächst davon aus, dass dies von belasteten Böden herrührte. «Mittlerweile weiss man, dass es keine Bodenbelastung braucht», so der Wissenschaftler. «Wenn Kühe mit Wasser getränkt werden, das PFAS enthält, kann es sich im Fleisch so stark anreichern, dass die Grenzwerte überschritten werden.» Dazu brauche es nicht viel: «Bei Trinkwasser liegt der Grenzwert bei 0,3 Mikro­gramm, doch schon ein Zehntel dieser Konzentration reicht aus, um im Fleisch Schaden anzurichten.» Erst allmählich wird das Ausmass der PFAS-Verbreitung sichtbar: «Inzwischen stehen bessere Analysemöglichkeiten zur Verfügung, und man stellt fest, dass PFAS überall sind und sich stark verbreitet haben.» 

PFAS im Wasser

Für PFAS gibt es unzählige Anwendungen, von der Industrie bis zu den Haushalten. «Je dichter die menschlichen Aktivitäten in einer Region sind, desto höher ist die PFAS-Belastung im Abwasser, in den Flüssen und auch im Grundwasser.» PFAS gelangten aus industriellen Prozessen in die Umwelt, befänden sich aber auch in Skiwachs, Funktionskleidung oder in Heimtextilien wie Vorhängen und Sofabezügen. «Beim Waschen der Kleidung kommen sie ins Abwasser, werden aber in Kläranlagen nicht vollständig ausgefiltert und gelangen so in die Flüsse und von dort ins Grundwasser.» 

Eine nationale Wasserstrategie

Klaus Lanz’ Botschaft ist klar: «Wir achten nicht genug auf das Grundwasser. Dazu muss man die Verschmutzungsquellen beseitigen. Das ist unbequem, und oft läuft es darauf hinaus, dass die Wasserversorger anderes Wasser beschaffen, statt die Ursachen der Verschmutzung anzugehen.» Der Trend gehe in Richtung Seewasser, und das sei problematisch. «Seen sind offene Gewässer und der Verschmutzung mit Chemikalien direkt ausgesetzt. Seewasser muss im Gegensatz zu Grundwasser mehrstufig aufbereitet werden.» In der Schweiz sei es das Ziel, Grundwasser ohne Reinigung konsumieren zu können. «Dafür braucht es viel grössere Anstrengungen als bisher.» 

Lanz plädiert für eine nationale Wasserstrategie, um den Schutz der Vorkommen und die Trinkwasserversorgung systematisch sicherzustellen. Dies fordert die Wissenschaft schon seit über zehn Jahren. «Eine nationale Wasserstrategie ist auch nötig, weil der Klimawandel das Wasserregime grundlegend ändert.» 

Augen auf für die Lösung

Klaus Lanz sieht in der «Initiative für eine sichere Ernährung», die zurzeit hängig ist, eine Möglichkeit, das Problem anzugehen und zu lösen. Die Initiative fordert, dass sauberes Trinkwasser zu einem Bestandteil der Ernährungssicherheit wird (siehe «Berner Landbote» vom 27. August). Und sie fordert unter anderem einen nachhaltigen Umgang mit Grundwasser. 

Deutlich tiefere Fleischproduktion nötig

Der Schutz unserer Trinkwasservorkommen brauche auch grössere Anpassungen der Land- und Ernährungswirtschaft. «Die Schweizer Landwirtschaft hat ihre Tierproduktion massiv durch den Import von Futtermitteln aus dem Ausland erhöht. Dadurch entstehen riesige Überschüsse an Gülle, die unsere Bäche, Flüsse und das Grundwasser enorm belasten.» Vier Seen im Mittelland müssten wegen der überschüssigen Gülle seit Jahrzehnten künstlich belüftet werden, viele Grundwasservorkommen seien wegen Nitrat aus der Gülle nicht mehr geniessbar. «Das zeigt das ganze Ausmass der Wasserbelastung durch die Tierproduktion. Ich finde es erstaunlich, dass das von der Öffentlichkeit einfach so hingenommen wird.» Zum Glück erhalte die Bevölkerung mit der «Initiative für eine sichere Ernährung» demnächst die Möglichkeit, hier eine Neuausrichtung zu bewirken, so Klaus Lanz. 

Der Kreislauf der Natur

Der Mensch besteht überwiegend aus Wasser, Kinder zu über 70 Prozent, Erwachsene zu ungefähr 60 Prozent. Das Wasser im Körper erneuert sich laufend. Klaus Lanz: «Es dauert nicht einmal zwei Monate, bis alles Wasser in unseren Zellen durch andere Wassermoleküle ersetzt ist. Das heisst, wir sind Teil des gros­sen Wasserkreislaufs der Natur.» Wir trinken Wasser nicht nur, wir atmen es auch ein und aus. «Mit der Atemluft nehmen wir Wassermoleküle auf, die eben noch Nebel waren oder die vielleicht aus den Bäumen des nahe gelegenen Waldes verdunstet sind. Auf diese Weise sind wir ganz direkt mit der Natur und dem Wasser in ihr verbunden. Schon deshalb kann es uns nicht egal sein, was mit der Natur passiert. Sobald wir uns als Teil des Wasserkreislaufs erkennen, gehen wir mit diesem Lebenselixier automatisch anders um.»


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel


Vermischen und vertuschen?

Pfas/Gastbeitrag • Tierische Lebensmittel sind in der Schweiz teilweise so stark mit den gesundheitsgefährdenden PFAS-Chemikalien belastet, dass die Höchstwerte überschritten werden. Der Ständerat will nun belastetes mit unbelastetem Fleisch vermischen lassen, um die Grenzwerte einzuhalten. Der Kon…
| Josianne Walpen | Gesellschaft

Anzeige