«Da bruchsch nume e Wärchzügchaschte»
Landliebe • Hansueli Wegmüller wuchs in Landiswil auf und war 27 Jahre alt, als er in die Fussstapfen seines Vaters trat und als Bauer begann. Weil das Auskommen des eigenen Hofes für die junge Familie nicht zum Leben reichte, bewirtschafteten er und seine Frau Margrit zusätzlich die Höfe der Eltern und mähten zum Teil «stotzige» Hänge. Wegmüllers kennen das «Chrampfe» – und sind heute, als Pensionierte, ein zufriedenes Ehepaar, das Höhen und Tiefen des Lebens meisterte. Hansueli liebt die Technik alter Militärfahrzeuge.

«Es isch e schöni Zyt gsi», sagt Hansueli Wegmüller zu seinem Berufsleben als Bauer. «Ja, sträng scho, aber äbe o schön.» Hansueli und Margrit Wegmüller-Schüpbach sitzen am Küchentisch in ihrem schönen, alten Bauernhaus in Landiswil, der direkt hinter dem in der leichten Brise wehenden, weissen, leichten Stoffvorhang steht, der im Sommer als Türe dient. «A drüne Orte heimer buret.» Drei Höfe hat er mit seiner Frau bewirtschaftet: Den eigenen, jenen der Eltern von Hansueli – das «Stocki» – und jenen der Eltern von Margrit – das «Grat» in Obergoldbach. Drei Kinder hat das Paar: Barbara, Urs und Adrian. Wie haben sie das geschafft, die Arbeit auf drei Höfen? «Mir hei haut müesse. Üse Burebetrieb elei wär z chli gsi.» Als Jugendliche hätten die Kinder zwar oft helfen müssen, doch einen der Bauernbetriebe übernehmen wollte keines der drei. «Für d Chind wär das ke Existänz gsi», so Wegmüller. «U überhoupt hei si ke Inträsse gha dranne.» Im «Grat» in Obergoldbach wohnt heute Sohn Urs mit seiner Familie. Das Paar hat zwei Kinder, Viviana und Adriana. Die Eltern üben andere Berufe aus. Das «Stocki» übernahm Sohn Adrian. Und auch das Haus, in dem die Eltern leben. Tochter Barbara, die älteste der drei, kaufte der Gemeinde Landiswil ein Häuschen ab und arbeitet als Fusspflegerin (siehe Seite 2).
«De weiss me geng chli, was geit»
«Itz hesch ume gwachse», klingt es vom Bänkli draussen vor dem Vorhang aus. Adriana kommt aus der Schule, mit roten Bäckchen, es ist heiss. Dreimal in der Woche essen sie und ihre Schwester bei Grosi und Grosspapi zu Mittag. Adriana geht in die erste Klasse, ihre Schwester Viviana – «ich bin Vivi» – in die fünfte. Die beiden gehen in Landiswil in die Schule, haben gerade Projektwoche. Hansueli Wegmüller freut sich immer, wenn die Grosskinder kommen. «Das isch schön, das hautet eim jung», sagt der 75-Jährige. «So vernimmt me o, was u wie die Junge ir Schuel rede. U mi isch ufem nöischte Stand.»
Zum Mittagessen gibt es Kartoffelsalat – sehr lecker –, grünen Salat und Bratwürste. Der Besuch wird kurzerhand zum Mitessen eingeladen. Und weil er kein Fleisch isst, gibt es für ihn Eier aus dem Dorf. Während des Essens erzählen die Kinder von ihren Projekten in der Schule, von Hobbys und Lieblingsbeschäftigungen. Sie sind offen und fröhlich. Dann wird über die Eltern von Hansueli gesprochen: die sehr liebe Mutter Hanni und den Vater Hans, dessen Vater und Mutter mit neun Kindern «untendurch mussten». Sie bewirtschafteten das «Stocki», wie später Sohn Hans und Enkel Hansueli, der nun selbst Grossvater ist. Zeitlebens leben Hansueli und Margrit in Landiswil und dem Nachbarweiler Obergoldbach, erlebten, wie ein Laden nach dem anderen, als Letztes die Dorfchäsi, schloss und selbst die letzte Landi-Filiale im Dorf die Pforten schloss.
«Mir hei zäh, zwölf Chueli gha»
Hansueli Wegmüllers pragmatische Lebenseinstellung fällt sofort auf. Seine freundliche und verständnisvolle, liebenswürdige Art. Irgendwann geht das Gespräch um Arbeit generell. «Du, es spiut doch ke Rolle, was öpper schaffet. Schaffe tüe mir ja aui und jede macht doch, was är cha. Ob itz im Büro oder verusse.» Und so, wie ihn die Journalistin dieser Zeitung empfindet, so sehen ihn auch die Leute im Dorf. Später werden Worte fallen wie: «Är isch geng guet gluunet und zfride.» «Ah, bim Hansueli bischte. Das isch e Liebe.» Kein schlechtes Wort fällt von ihm über jemanden, für alle hat er ein gutes auf Lager. Und auch sein leiser Humor ist augenfällig: waschechter, alter, erfahrener Emmentaler Humor.
Hansueli und Margrit hatten ein Milchkontingent von 40 000 Litern. «Mir hei geng öppe zäh, zwölf Chueli gha», sagt Hansueli Wegmüller. Die «Guschti» hätten sie oben auf dem Berg auf die Weide gebracht. Die Eltern hätten diese betreut, während die Jungen unten «buret hei». Dies allein habe natürlich nicht zum Leben gereicht. Deshalb war Wegmüller im Winter Störmetzger, Kundenmetzger. Das heisst, er ging, weit über Landiswil hinaus, auf Höfe und schlachtete für diese deren Schweine. «De hett me gwüss halt di Söili gemetzget u druus Würscht u angers gmacht.» Die «Hausmetzgete» sei jedenfalls für das Tier mit viel, viel weniger Stress verbunden gewesen, als es heute der Fall sei. «Ja u zum Mälche isch Hansueli geng hei cho, am Abe», sagt Margrit Wegmüller. Es sei für ihn stets alles vorbereitet gewesen. «Alles andere hei mir gmacht: Gmischtet, gfuetteret. Mit em Grosi aube no, dobe im Stocki» (Hanni Wegmüller). Hansueli: «U wenni nid so ne gueti Frou hätt, wär das aus nid müglech gsi. U de natürlich o sone gueti Muetter.»
«Das merkt man dem Fleisch an»
Störmetzger gibt es heute nicht mehr: Das Lebensmittelgesetz verbietet es. «Drbi isch das doch für Tierli viu besser gsi.» Sie hätten keinerlei Angst verspürt: «Ds Söili chunnt usem Stall, de polets – u fertig u furt. Es het ke Minute Stress gha. U das merkt me em Fleisch a! Es isch vil besser gsi.»
Hansueli Wegmüller fragt: «Isst du noch Fleisch? Nid? Ja äbe, das verwungeret eim mängisch nid.»
Die Bauersleute, bei denen er jeweils schlachten ging, habe er über Jahre begleitet. Er habe erlebt, wie die Familien sich veränderten. «Bim Wurschte si immer alli drbi gsi. Da si mängisch füf, sächs Persone am Tisch ghocket und hei gwartet, bis me hett chönne wurschte. U de hett jedes d Finger drin gha.» Die ganze Familie habe sich in der Küche versammelt. «D Ching hei sech geng uf ds Chnäte vom Wuschtteig gfröit. Jedes hett wöue häufe, jedes hett e Job gha.» Er habe gesehen, wie die Familien wuchsen, die Kinder gross und die Eltern älter wurden. «Das isch aube no schön gsi. A viune Ort isches für d Ching es Fescht gsi. He nu, itz hets haut gänderet.» Es sei ja früher auch nicht alles besser gewesen: «Gäu, es isch haut eso. Es isch o nid aues guet gsi, denn.»
Käserei und Landi
Weil sie die Landwirtschaft bereits 2010 aufgegeben hätten –«o, wüu d Giele gseit hei, sie chönni näbem Bruef zuche nid geng no häufe» – und Hansueli noch fünf Jahre habe arbeiten müssen bis zur Pensionierung, habe er in der Käserei in Landiswil gearbeitet. «Di isch ungerdess o zue gange.» Margrit indes arbeitete zu der Zeit in der Landi-Filiale in Landiswil. Wurde Depot-Chefin, «zum Büro zueche». Doch danach wurde auch das Landi-Depot geschlossen. Bis zur Pensionierung arbeitete sie noch in Lützelflüh in der Landi-Filiale.
Heute ist das Paar pensioniert. Nach der Pensionierung der Eltern habe Sohn Urs gesagt: «So, itz hi mer ändlech emau Ferie!» Hansueli Wegmüller: «Ja, mir hei scho sträng gha. Aber äbe, es isch o schön gsi.» Zuvor, im Jahr 2000, konnte die Familie das Haus kaufen, in dem sie bis anhin zur Miete lebte.
Mendocino
Wo haben sich die beiden kennengelernt, Hansueli und Margrit? «Äbe, bim Metzge», sagt Margrit und zu Hansueli gewandt: «Da hani Di ds erschte Mau gseh.» Er, prompt: «Ja, i Di o. I ha Di o zum erschte Mau gseh, denn!»
Sie schmunzelt. «I bi ir nünte Klass gsi, denn.» Die Intonation ihrer Worte verrät, dass ihr die Bilder von damals klar vor Augen stehen. Ihr Vater habe «zum Bürle zuche no im Staatswald gwärchet». Im Winter habe er seinen Lohn «z Bärn müesse ga reiche». Das Büro sei oberhalb des Loeb gelegen gewesen. Jedes Mal, wenn er dort gewesen sei, habe er ihr, der einzigen Tochter, «e Schallplatte hei bracht». Darunter sei «Mendocino» von Schlagersänger Michael Holm gewesen. Als Hansueli gekommen sei, habe sie das Lied abgespielt. Hansueli: «Das isch vo denn a üses Lied gsi.» Er singt: «Auf der Strasse nach San Fernando …, oder so …» Und sagt: «Nächär het me enanger öppe de wider gseh und spöter däicht, es chönnti passe. Minger u meh, gäu? Wie es so isch, im Läbe.» Die vier Jahre jüngere Margrit sinniert: «Ab und zue Strit gits ja überall, gäu?!» Er: «Momou, es gits äbe scho, dass es passt.»
Die Liebe zur alten Technik
Geblieben ist Wegmüller die Liebe zu den Militärfahrzeugen. Diese teilt er mit seinen Söhnen. Es gehe ihm nicht ums Militär an und für sich, betont er, obwohl seine «Giele» beide dort integriert seien – «es isch schlimm ir Wält mit dene Chriege. Nei, es gseht gar nid guet us.» – Die heutige Kriegstreiberei verurteile er vehement. Dass das Militär aber im Allgemeinen verunglimpft werde, bedaure er. Denn gerade habe es helfen können, in Blatten. Dies werde viel zu selten in den Medien erwähnt.
Bei den Fahrzeugen gehe es um die alte Technik. Um die Treffen unter Gleichgesinnten. «We Du es moderns Outo hesch, villich es Elektrofahrzüg, ja da bruchsch ke Wärkzügchaschte me. Bi de Militärfahrzüg längt e guete Wärkzügchaschte u de chasch aues säuber flicke.» Schon in der Schule habe er Töffli frisiert, schmunzelt er. Hansueli Wegmüller selbst besitzt einen Pintzgauer und einen Jeep. Im kommenden Jahr gebe es erneut ein Militärauto-Treffen. Jeweils alle zwei Jahre im Juli. Darauf freue er sich schon heute.
Die Familie
Mit seinen Geschwistern Ursula (die älteste der drei) und Sämi (der Jüngste) verstehe er sich sehr gut. Sie alle und viel mehr seien im Mai bei seinem Geburtstagsfest mit dabei gewesen und hätten mit ihm seinen 75. gefeiert. Beide Brüder, Hansueli und «Sämu», erlitten im Laufe ihres Lebens einen Herzinfarkt. Ob dies auch am «Chrampfe» lag? Margrit: «Wo mir aube a däm stotzige Hang hingerabe ghöiet hei, isch dr Unggle vom Hansueli, dr Philipp, aube no cho häufe.» Dieser habe mit seiner Familie in Biglen gewohnt. Sei der Lustigste der neun Kinder von Hansuelis Grosseltern gewesen. Habe immer lustige Sprüche gemacht und sei jeweils mit dem Töffli gekommen «u dr Schnurre-Gige. Är u si Frou hei ufpasst, dass üsi Ching, wo si chli si gsi, nid überus troolet si.» So steil wars. Auch zu den anderen Onkeln und Tanten habe man den Kontakt gepflegt. «Mir hei aui gärn gha.»
Auch ein Hund habe zur Familie gehört, früher. Der habe manchmal Steine geholt und einst sei einer «drüberus troolet u i de Ladli glandet, dunger bimne Huus». Margrit: «Das hei mir ihm müesse abgwöhne, das hätt chönne dumm ga. Aber das isch mängs Jahr här.»
Der Spycher
Oberhalb des stolzen Bauernhauses, in dem Hansueli und Margrit mit Sohn Adrian leben (das Stocki wird erst umgebaut), gibt es einen wunderschönen alten Spycher, Jahrgang 1770, den Wegmüllers vor zwei Jahren herrichten liessen. «Mi hett hie Blick bis nach Sumiswald.» Ja, es sei wunderschön hier, betont er und schaut in die Ferne: «U i ha no mini Frou u mini Ching.» Das sei nicht selbstverständlich. «Das isch es Gschänk.»
Geblieben sind Hofläden
Sieben Lädeli gab es in Landiswil. Heute ist keines mehr geblieben. Einzig einen Glace-Hofladen – Selbstbedienung – gibt es noch. «Mir si froh, dass mer wenigschtens no e Glace chöi ässe, wes heiss isch», so Margrit. Hansueli: «U mir hei wenigschtens no e Poschtverbindig, auso es Poschtouto, wonis hin u här fahrt.» Sie hofften, dass dies bleibe, sonst seien alle in der Gemeinde auf einen eigenen Wagen angewiesen. Im Winter gebe es im Dorf viel Schnee. «De bruchti me de scho e Allrad.»
Eine Wirtschaft gibts in Landiswil, den «Löwen». Er ist Dreh- und Angelpunkt des Dorfes. Natürlich gemeinsam mit dem Schulhaus und dem Gemeindehaus. Und es gibt noch «Trachsel Holzbau». Margrit bedauert das Dorflädeli-und-KMU-Sterben sehr. «Gäu, mir müesse üs haut arrangiere.»