Ab 15 im Gefängnis: Was macht das mit den Menschen?
Thun | Manchmal landen Jugendliche im Gefängnis, obwohl sie noch Kinder sind – dies sind sie per Gesetz bis zum 19. Lebensjahr. Stellt sich die Frage, ob Einsperren noch zeitgemäss ist. Und ob für ein sogenanntes Time-out das Gefängnis das Richtige für junge Menschen ist. Auch im Regionalgefängnis Thun befinden sich Jugendliche.

Oliver Aebischer, Sie sind Leiter Kommunikation des Amtes für Justizvollzug des Kantons Bern. Gibt es im Regionalgefängnis Thun zurzeit Jugendliche, die aufgrund des akuten Platzmangels in den Jugendpsychiatrien von der KESB eingewiesen werden, wie dies bekanntllich in anderen Kantonen geschah? Die also unschuldig eingesperrt sind?
Oliver Aebischer: Die KESB hat meines Wissens nie Jugendliche wegen Platzmangels in psychiatrischen Kliniken in die Jugendabteilung des Regionalgefängnisses Thun eingewiesen. Einweisungen, die durch eine KESB erfolgten, gingen zumeist Vorkommnisse – etwa Fremdgefährdung in Jugendheimen – voraus, die ein Time-out in diesem Setting nötig machten. Seit Januar 2023 nimmt die Jugendabteilung im Regionalgefängnis Thun allerdings keine Jugendlichen in einem zivilrechtlichen Freiheitsentzug mehr auf.
Wie ist es aber mit jenen Jugendlichen, die von der KESB des Kantons Bern ins Regionalgefängnis Thun überwiesen werden?
Obwohl hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht, in Ausnahmefällen eine solche Einweisung machen zu können, haben wir derzeit dort ausschliesslich Jugendliche, die von der Jugendanwaltschaft eingewiesen wurden.
Das heisst, diese Jugendlichen haben alle ein Delikt begangen?
Dies wird ihnen von der Jugendanwaltschaft vorgeworfen.
Wie alt sind diese jungen Menschen?
Die meisten jugendlichen Personen, die bei uns eingewiesen werden, sind zwischen 15 und 18 Jahre alt.
Jugendliche, die straffällig werden, sind, gemäss Statistik, nicht selten Menschen, die zu wenig Zuwendung erfuhren respektive keine schöne Kindheit hatten. Wäre hier ein anderer Bestrafungsansatz nicht sinnvoller?
Ich kenne diese Statistik nicht. Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen, darunter auch Jugendliche, straffällig werden. Eine schwierige Kindheit kann dabei eine Rolle spielen. Wer in Untersuchungshaft kommt, wird nicht im eigentlichen Sinne bestraft, sondern die Person wird daran gehindert, zu flüchten und weiter straffällig zu werden. Oder die Aufklärung begangener Taten zu behindern, indem beispielsweise Zeugen oder Opfer beeinflusst oder Beweismittel vernichtet werden. Das sozialpädagogische Personal ist sich der schwierigen Situation der Jugendlichen sehr bewusst und geht bei deren Betreuung darauf ein. Welche jugendstrafrechtliche Sanktion für ein begangenes Delikt schliesslich ausgesprochen wird, hat der Gesetzgeber im Jugendstrafgesetz festgelegt und wird im konkreten Fall vom Gericht entschieden.
Wie sieht der Tagesablauf eines straffälligen Jugendlichen im Gefängnis aus?
Der Morgen beginnt mit dem gemeinsamen Frühstück in der abteilungseigenen Küche, danach ist Zeit für Hygiene und Körperpflege. Im Anschluss daran wird die Zelle gereinigt. Es folgen Bildung und Sport. Ab 10 Uhr beginnt das gemeinsame Kochen des Mittagessens. Auch diese Mahlzeit wird gemeinsam in der Abteilungsküche eingenommen.
An den Nachmittagen wird das Programm individuell gestaltet. Es gibt weiterhin die Möglichkeit von gemeinsamen Aktivitäten, wie Ping-Pong, Backen, Malen oder Gesellschaftsspielen. Das Abendessen nehmen die Jugendlichen in ihren Zellen ein und haben nochmals die Möglichkeit, auf den Spazierhof zu gehen.
Wie sehen Bildung und Sport aus? Was wird vermittelt?
Einerseits werden alltagspraktische Fertigkeiten vermittelt wie Kochen, Backen, Putzen, Ordnung halten. Weiter arbeiten wir mit den Jugendlichen an der Verbesserung ihrer Sozialkompetenzen, dies im Umgang untereinander sowie mit den Betreuungspersonen, was sehr herausfordernd sein kann. Anderseits besteht auch die Möglichkeit, beim Sprachenlernen Unterstützung zu erhalten oder mit ihnen an Aufgaben ihrer Schule zu arbeiten. Bei sportlichen Aktivitäten wie Tischtennis und Fitness geht es um die körperliche Ertüchtigung, aber auch wieder darum, die sozialen Fähigkeiten wie Frustrationsto-leranz zu erweitern.
Wie lange sind die Jugendlichen in den Zellen eingesperrt?
Die Zellen sind täglich mindestens acht Stunden offen, die Jugendlichen bewegen sich frei auf der Abteilung und können nach dem Mittagessen den Spazierhof benutzen. Sie erhalten zudem regelmässig Besuch von Anwältinnen und Anwälten sowie den Sozialarbeiterinnen und -arbeitern der Jugendanwaltschaft.
Erhalten sie die nötigen Therapien? Was ist mit der so wichtigen Zuwendung?
Die Jugendlichen werden von Sozialpädagoginnen und spezifisch geschultem Sicherheitspersonal betreut, die der besonderen Vulnerabilität von Jugendlichen im Gefängnis Rechnung tragen. Während des gesamten Aufenthalts werden sie medizinisch sowie bei Bedarf auch psychiatrisch betreut.
Trotzdem: Wie geht es den Jugendlichen? Sie haben meistens keine moralische Unterstützung durch Eltern oder Angehörige …?
Den Umständen entsprechend. Einen Gefängnisaufenthalt nimmt niemand auf die leichte Schulter. Es wird aber alles unternommen, damit die Jugendlichen physisch und mental gesund bleiben oder ihren gesundheitlichen Zustand verbessern können. Wenn Bezugspersonen im Umfeld da sind, wird alles getan, damit der Kontakt zu ihnen aufrechterhalten werden kann. Sei das durch Besuchsbewilligungen, Telefonate oder briefliche Kontakte.
Und jene, die Angehörige haben, die sie besuchen wollen? Geht das?
Die Jugendlichen bleiben, sofern sie dies wollen, in Kontakt mit ihren Angehörigen und können, mit einer Bewilligung der Jugendanwaltschaft, selbstverständlich von ihnen besucht werden oder auch in telefonischem Kontakt bleiben.