Gemeinsam eine neue Haltung entwickeln
Region | Nachhaltiger Konsum ist ein entscheidender Faktor zur Erreichung der Klimaziele. Alle gesellschaftlichen Akteure können hier mithelfen, wie die Gemeinde Thun und die Stiftung Pusch zeigen.

Neben Unternehmen leisten auch Organisationen und Gemeinden einen Beitrag zu einem suffizienteren Leben. In der Klimastrategie der Stadt Thun spielt Suffizienz beispielsweise eine zentrale Rolle. Einerseits finde sich die Suffizienz in konkreten Zielsetzungen wieder, wie Claudio Kummli, Projektleiter für die Umsetzung der Klimastrategie und die Klimakampagne der Stadt Thun, sagt. Ein Ziel besteht darin, Ressourcen effizient einzusetzen und eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Dadurch sinke der Verbrauch von Ressourcen. Gemäss einem anderen Ziel möchte die Stadtverwaltung eine Vorbildrolle übernehmen und das Prinzip Suffizienz vorleben, indem sie selbst weniger Abfall erzeuge, so Kummli. Andererseits enthält der Aktionsplan 15 Massnahmen. Bei allen Massnahmen ist neben anderen Kriterien die Suffizienz aufgelistet. «Das Thema Suffizienz wird also in jeder Massnahme kommentiert», sagt Kummli.
Suffizienz für ein gutes Leben
Im Rahmen der Kommunikationskampagne möchte die Stadt Thun die Bevölkerung unter anderem für das Thema Suffizienz sensibilisieren und darüber informieren. Auf klimathun2050.ch finden sich verschiedene Tipps und Tricks, «die auf lockere und spielerische Art zeigen, wie man suffizient leben kann», erklärt Kummli. Die Bandbreite an Ideen reicht vom Reparieren von Gegenständen über die Vorzüge von Nachtzügen bis hin zu einer pflanzlich orientierten Ernährung. Letzten Endes gehe es gemäss Kummli um die Frage, wie viel Konsum für ein gutes Leben nötig sei.
Für die Stadt Thun sei es in diesem Zusammenhang wichtig, nicht mit erhobenem Finger zu argumentieren, sondern humorvoll «Zusammenhänge zwischen Konsum und Produktion» aufzuzeigen. Schliesslich liege es nicht in der Kompetenz der Stadt zu sagen, was jemand machen dürfe und was nicht. «Jede und jeder kann für sich selbst entscheiden», so Kummli, «und bekommt durch unsere Klimakampagne möglicherweise Lust, suffizienter zu leben.»
Verantwortung übernehmen
Die Stiftung Pusch unterstützt Unternehmen, Schulen und auch Gemeinden unter anderem dabei, Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Dafür bietet sie praxisnahes Wissen und konkrete Handlungshilfen an. «Unser Ansatz ist der Appell an die Verantwortung und Fairness im Kontext vom Ressourcenverbrauch», sagt Remo Bräuchi, Projektleiter Umweltkommunikation von Pusch. «Wir leben über unsere Verhältnisse.» Die Bevölkerung der Schweiz, so Bräuchi weiter, brauche bei ihrem Ressourcenverbrauch hochgerechnet mehr als zwei Erden.
Den grösseren Kontext kennen
Möchte die Schweiz in den kommenden Jahren ihre CO2-Emissionen massiv senken, braucht es eine Veränderung in der Haltung von Privatpersonen und Institutionen. Gemäss Bräuchi kann sich die Haltung dann ändern, wenn man den grösseren Kontext kennt und versteht. Als Beispiel verweist er auf den Kleiderkonsum. Kostet ein T-Shirt beispielsweise nur fünf Franken, darf an einer fairen Entlöhnung der an der Produktion des Shirts beteiligten Personen gezweifelt werden. «Aber wollen wir nicht alle fair entlöhnt werden?», fragt Bräuchi rhetorisch. «Kann ich ein solches Produkt mit gutem Gewissen kaufen?» Unser Konsum habe Konsequenzen, entweder für andere, an anderen Orten oder zeitlich verzögert. Diesen globalen Kontext verständlich zu machen, das Zusammenwirken von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft, hat sich Pusch auf die Fahne geschrieben.
Dabei appelliert Bräuchi an die Verantwortung von Konsumierenden. Etwas zu verbieten sei schwierig. Aber jeder und jede könne kleine Schritte machen. Wer beispielsweise viermal im Jahr fliege, könne sich überlegen, im darauffolgenden Jahr vielleicht nur zweimal zu fliegen und danach zu überlegen, ob etwas im Leben gefehlt habe. «Suffiziente Handlungen können auch ein neues Lebensgefühl mit sich bringen», so Bräuchi.
Er selbst brauche den Begriff Suffizienz nur ungerne. Viele verbänden damit Verzicht und fürchteten sich vor einem Wohlstandsverlust. Dabei stelle sich vielmehr die Frage, ob nicht eher die Abkehr vom Überfluss im Zentrum stehen müsste. Aktuell sei der Begriff Wohlstand noch stark an einen möglichst hohen Konsum von Produkten geknüpft. Untersuchungen zeigten jedoch, dass zum Beispiel soziale Beziehungen viel stärker zu einem zufriedenen Leben beitrügen. «Unseren Konsum nachhaltiger zu gestalten, ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Wir müssen alle versuchen, unseren Beitrag zu leisten», so Bräuchi.