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Fachkräftemangel und psychische Probleme

Gesundheit • Verschiedene Faktoren sorgen dafür, dass Tierärzte viele zusätzliche Herausforderungen zu bewältigen haben. Die Gesellschaft für Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte und die veterinärmedizinische Fakultät der Universität Bern ergreifen deshalb verschiedene Massnahmen.

| Thomas Abplanalp | Gesellschaft
Der Alltag von Tierärzten in einer Praxis ist vor allem geprägt von Sprechstunden, Operationen und Notfällen. Bild: Pixabay

Wer als Tierarzt arbeitet, kann das in unterschiedlicher Form tun. Die wohl bekanntesten Berufszweige sind die Kleintier- und Nutztiermedizin. Daneben besteht auch die Möglichkeit, in der Pferdemedizin oder der Zoo-, Heim- und Wildtiermedizin zu arbeiten. Zu den weiteren Bereichen gehören die Pathologie, Verhaltensmedizin oder auch die Arbeit in der Verwaltung oder im
Veterinärdienst der Armee. 

Dementsprechend hängt die typische Gestaltung des Arbeitsalltags von der Spezialisierung der Tierärzte ab. In einer Praxis, die eine Grundversorgung anbietet, beginnt die Arbeit morgens mit einem Blick auf den Tagesplan. Auf diesem sind überwiegend Sprechstunden verzeichnet. Zwischen den verschiedenen Sprechstunden operieren Tierärzte Haustiere. Zu den häufigsten Operationen zählen die Kastration und das Entfernen von Knoten. Auch Zahnbehandlungen führen Veterinäre durch. Und Notfälle verlangen eine schnelle und unvorbereitete Reaktion des Personals. Wie in der Humanmedizin gehören in der Veterinärmedizin ebenfalls regelmässige Notfalldienste an Wochenenden oder über Nacht zum beruflichen Alltag. 

Tierärztemangel

Ganz allgemein besteht in medizinischen Berufen ein Fachkräftemangel. Die Berufsverbände der Ärztinnen und Ärzte (FMH), der Apothekerinnen und Apotheker (pharmaSuisse), der Chiropraktorinnen und -praktoren (ChiroSuisse), der Zahnärztinnen und -ärzte (SSO) sowie die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) organisierten am 21. Februar einen gemeinsamen Weckruf auf dem Bundesplatz.

Der Fachkräftemangel in der Veterinärmedizin liesse sich mit verschiedenen Faktoren erklären, wie es bei der GST auf Anfrage heisst.Erstens nehme der Bedarf an tiermedizinischer Versorgung aufgrund der steigenden Anzahl Haustiere in den vergangenen Jahren zu. Zudem gingen die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Pension, und bei den jüngeren Fachkräften steige der Anteil der Teilzeitarbeitenden. «Die medizinische Versorgung von Tieren ist in der Schweiz zunehmend gefährdet», so die GST. 

Die Thematik sei komplex und müsse auf verschiedenen Ebenen angegangen werden. In einem Massnahmenkatalog fordert die GST zusätzliche Studienplätze in der Veterinärmedizin. Zudem schlägt sie vor, die Zulassungsbedingungen zum Studium zu überprüfen und im agrarpolitischen Netzwerk Anreizsysteme für die Nutztiermedizin in Randregionen zu schaffen.

Anspruchsvoller Beruf

Viele Tierärztinnen und Tierärzte bezeichneten ihren Beruf als den besten Beruf der Welt. «Jedoch ist er anspruchsvoll», so die GST. Er sei mit vielen Emotionen verbunden, und die Belastungen im Alltag seien nicht unbedeutend. Der Umgang mit dem Tierleid, Konflikte mit der Kundschaft und lange Arbeitstage gehörten zum Alltag von Tierärztinnen und Tierärzten. Weil der Fachkräftemangel zu Personalengpässen führen könne, erhöhe sich die Arbeitslast zusätzlich. Ganz abgesehen davon, dass auch im privaten Umfeld herausfordernde Situationen bestehen könnten. «Dies alles kann dazu führen, dass die psychische Gesundheit stark unter Druck gerät», sagt die GST. 

Verschiedene Massnahmen der GST sollen Abhilfe schaffen. Eine Massnahme besteht in einem Projekt zum Thema Mental Health, das den Fokus auf präventive Massnahmen legt. Zudem lancierte die GST das Notfalltelefon «SOSforVets», und sie strebt umfassende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen an.

 Ausbildung stärken

Auch das Studium der Veterinärmedizin befindet sich im Wandel. Wie das Dekanat der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Bern, kurz Vetsuisse, erklärt, ist die Behandlung von kranken Tieren eine Kernaufgabe von Tierärztinnen und Tierärzten. Dafür benötigen sie ein vertieftes Wissen über die Bedürfnisse der Tiere. Zudem ermöglichen diese Kenntnisse auch eine bessere Prävention, die gerade in der Nutztiermedizin eine zentrale Rolle spielt. Wer an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern studiert, erhält eine Ausbildung in verschiedenen Bereichen, die mit Bedürfnissen von Nutztieren zu tun haben. Die Studierenden lernen das Verhalten und die Grund­bedürfnisse der Tiere kennen. Sie üben den richtigen Umgang mit den Tieren und eignen sich Wissen über die Tier­ernährung und die normale Funktion des Organismus an. Im Bereich der Bestandes- und Populationsmedizin kommen Themen wie die Hygiene, das Stallklima, die Melktechnik und allgemeine Prävention dazu. Und in Form von Praktika in einer Nutztierpraxis, Klinik oder auf einem landwirtschaftlichen Betrieb sammeln die Studierenden praktische Erfahrungen. 

Ein neues Curriculum im Jahr 2021 zog wesentliche Anpassungen des Studiums nach sich: Um die praktische Ausbildung zu verbessern, dauert das Studium elf statt zehn Semester. Die praktische Ausbildung am Tier beginnt mittlerweile bereits ab dem ersten Studienjahr, nicht erst im Masterstudium ab dem vierten Studienjahr. Die Stärkung der Präventiv- und Bestands­medizin erfuhr eine Stärkung. Und neue Fächer sollen die Studierenden besser auf die Herausforderungen des späteren Berufsalltags vorbereiten. Dazu gehören die Kommunikation, die Rechtskunde und die Förderung von Resilienz. Letzteres vor dem Hintergrund, dass zu viele Tierärztinnen und Tierärzte wegen der hohen Anforderungen in der Praxis wieder aus dem Beruf aussteigen.

Die Studierendenzahlen wurden in den vergangenen Jahren moderat erhöht, so das Dekanat der Vetsuisse-­Fakultät Bern. Gleichzeitig ist der Bedarf an Tierärztinnen und Tierärzten laufend gestiegen, den die jetzige Anzahl Studierender nicht abdecken kann. Trotz steigender Anzahl Studierender ist der Bedarf nach einer deutlich grösseren Zahl junger Tierärztinnen und Tierärzten vorhanden. Wegen der aktuellen räumlichen und personellen Ressourcen ist das Maximum an Studierenden aktuell erreicht. Konkret in Zahlen ausgedrückt, bedeutet das: 2013/14 studierten an der Universität Bern und Zürich insgesamt 159 Personen Veterinärmedizin. 2023/24 betrug die Zahl 175.


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