«Der ‹Berner Landbote› soll denen gehören, die ihn schätzen»
Interview • Christof Ramseier ist der Verleger des «Berner Landboten». Im Interview erklärt er, wie die Zukunft des «Berner Landboten» durch die Gründung eines Trägervereins gesichert werden soll.

Was begeistert Sie seit gut 14 Jahren am «Berner Landboten»?
Christof Ramseier: Mit der Veränderung der Gesellschaft, mit der in immer mehr Bereiche eingreifenden Digitalisierung, die Menschen und Tätigkeiten verbinden und die Arbeit erleichtern soll, aber immer mehr zum Ausschluss und zu teuren Gegenmassnahmen führt, sind unabhängige öffentliche Stimmen noch wichtiger geworden. Mit einem Team arbeiten zu dürfen, das sich mit unglaublichem Engagement für die Sache einsetzt, ist nicht nur zu bewundern, sondern vor allem zu ermöglichen.
Sie sprechen das Ermöglichen an. Die finanzielle Situation der Medien hat sich über die Jahre deutlich verschärft. Woran liegt das?
Es gibt verschiedene Gründe. Wobei die gestiegenen Kosten beim Vertrieb und die immer stärker zurückgehenden Inserate-Erträge sicher die wichtigsten sind.
Könnte es sein, dass Printmedien nicht mehr gefragt sind und die Inserate deshalb zurückgehen?
Das sehe ich nicht so. Die jährlichen Gönnerbeiträge für den «Berner Landboten» beweisen das Gegenteil. Zudem kenne ich niemanden, die oder der eine Zeitung im Print oder ein Onlinemedium restlos durchliest und sich jeden Artikel zu Gemüte führt. Die einen Themen interessieren mehr, andere weniger, und oft stösst man beim Lesen auf etwas völlig Unbekanntes, das aber spannend ist. Fakt ist, dass die Unternehmen ihre Kunden vor allem im digitalen Werbeumfeld suchen und dafür viel Geld ausgeben. Schlussendlich ist es mit der Werbung im Netz wie im Print: Sie soll bekannt machen oder anbieten und verkaufen. Fakt ist aber auch, dass im Netz Millionen von Menschen um Aufmerksamkeit buhlen. In einem Printmedium sind es ein paar Dutzend oder, je nach Medium, ein paar Hundert. Das ist ein grosser Vorteil für die Werbenden.
Wie sieht die Lösung aus?
Die Lösung gibt es nicht. Es braucht zweierlei: Schnelle Information, die aber fundiert ist. Eine recherchierte und Erläuterung der behandelten Thematik. Unser Instant-Wissen ist hoch, aber auch kurzlebig. Wir nehmen zu viel Unwichtiges auf, das wir nicht verarbeiten können. Daraus entsteht Lückenwissen, das im Umkehrschluss zu schnellen, aber oft kurzsichtigen Meinungen führt. Wir konsumieren nur noch Informationen und generieren daraus zu wenig Wissen. Wieso auch – wenn wir etwas brauchen, fragen wir Google oder ChatGPT. Je mehr wir die Fähigkeit verlieren, uns durch umfassende Diskussionen und mit tiefgreifenden Informationen eine Meinung zu bilden, umso schwieriger werden gegenseitiges Verständnis und Miteinander in der Gesellschaft. Aktuell bewegen wir uns wieder hin zum Ansatz: Wer am lautesten schreit, hat recht.
Sind Sie der Meinung, dass die öffentliche Hand die Medien unterstützen sollte?
Nein. Ich bin der Meinung, dass das Modell der werbefinanzierten meinungsbildenden Presse nicht mehr funktioniert. Der Staat wird keine eigenen Informationskanäle aufbauen und wenn, steht dahinter keine kritische Betrachtung.
Können Sie das ausführen?
Die Information der Gesellschaft ist mit den «sozialen» Medien einfacher und günstiger geworden. Alle Menschen zu erreichen – nicht nur Fans einer speziellen Thematik oder Vorlage –, ist enorm aufwendig. Haben reine Zeitungsverlage vor 30 oder 40 Jahren noch sehr viel Geld verdient, so ist dies heute in den meisten Fällen kein Geschäft mehr, wenn alle Kosten berücksichtigt werden. Deshalb brauchen die redaktionell tätigen Medien Unterstützung. Wissen und Erkenntnisse zu vermitteln, ist aufwendig. Erst recht, wenn es fundiert sein soll. Die Menschen und die Gesellschaft benötigen dies, um ihre Meinung bilden zu können. Das Geld dafür muss auch vom Staat kommen, der allerdings die Freiheit der Journalistinnen und Journalisten nicht antasten darf. Entsprechende Modelle gibt es, etwa in der Kulturförderung, wo der Staat unterstützt, aber die Kunstfreiheit wahrt.
Sprechen wir vom Geld. Mit wie viel operiert der «Berner Landbote» im Jahr?
Für Druck und Vertrieb geben wir pro Jahr rund 400 000 Franken aus und knapp noch einmal so viel für Redaktion, Layout, Verlag, Verkauf und Technik. Die Inserate-Einnahmen decken den Bedarf bei Weitem nicht. Hier generieren wir gut 350 000 Franken und den Rest müssen wir mit Abonnenten, Gönnern und anderen Beiträgen finanzieren.
Ist es so, dass die grossen Inserenten von früher nicht mehr präsent sind?
Ja, das ist eine der grössten Veränderungen der vergangenen Jahre. In der Tagespresse sind die Grossverteiler noch ein- bis zweimal pro Woche präsent. Viele Printmedien haben aber diese Inserate verloren, weil das Geld online investiert wird. Regionale Medien haben teils viele Filialen der verschiedenen Grossverteiler im Verteilgebiet. Diese werben nun immer mehr durch die hauseigenen Medien oder aber digital. Berichte und News der Grossverteiler sollen die regionalen Medien aber natürlich dennoch publizieren. Das ist eine schwierige Situation.
Bestätigen Sie damit nicht, dass es regionale Informationsmedien nicht mehr braucht?
Im Gegenteil. Wir haben mit der Globalisierung verlernt, dass alles im Kleinen beginnt. Durch die Vernetzung und den Anspruch, dass alle alles überall und jederzeit haben wollen, ging diese Einsicht verloren. Es geht um Informationen, die viele konsumieren – aber nichts damit anfangen können. Es geht um immer komplexere Zusammenhänge, die viele nicht mehr verstehen. Sie fühlen sich dadurch ausgeschlossen und nicht verstanden. Entsprechend bilden sich isolierte Gruppen, die in ihrer eigenen Welt leben. Aus meiner Sicht hat die Globalisierung mit dem Ziel, alle Informationen allen zugänglich zu machen, paradoxerweise dazu geführt, dass immer mehr Menschen isoliert und ausgegrenzt werden, dass mehr Unverständnis und Ungleichheit herrschen.
Und was bedeutet das?
Es bedeutet, dass lokales Denken und Handeln mehr und mehr in den Hintergrund gerät. Doch genau das ist es, was uns ausmacht, was uns prägt, was uns zu dem macht, was wir sind. Wir müssen im Kleinen verstehen, wie Miteinander funktioniert. Wir müssen Vertrauen, Respekt und Demut, drei der wichtigsten Eigenschaften der Menschen, nicht mehr hintanstellen, sondern wieder ins Zentrum rücken, auch wenn überall auf der Welt Gier, Rücksichtslosigkeit und Respektlosigkeit auf dem Vormarsch zu sein scheinen.
Wofür stehen regionale Medien noch?
Regionale Medien können zeigen, dass im Kleinen viel Grosses steckt, dass Vieles funktioniert. Sie können aber auch zeigen, was nicht funktioniert und welche alternativen Lösungsansätze es gibt. Ideen zu haben, kostet nichts. Probleme zu benennen, ist ebenfalls nicht schwierig. Aber Ideen umzusetzen oder Probleme zu lösen, das kostet Zeit und Geld. Mit der Digitalisierung haben wir zunehmend das Gefühl, alles lasse sich mit einem Klick oder einem Wisch erledigen. Wir sind aber Menschen und funktionieren anders. Der Mensch braucht Zeit, Vertrauen und das Gefühl, verstanden zu werden – und er muss verstehen. Diese Einsichten dürfen wir nicht länger für rein wirtschaftliche und monetäre Interessen opfern. Deshalb sind wir überzeugt, dass es den «Berner Landboten» als Printprodukt mit Internetauftritt und Onlinepaper braucht. Aber schlussendlich entscheiden jene, die ihn erhalten, ob wir mit unserer Überzeugung auf dem richtigen Weg sind.
Sie sind dabei, einen Trägerverein zu gründen, der den «Berner Landboten» besitzen und verantworten soll?
Genau. Nach dieser Idee soll der «Berner Landbote» jenen Menschen gehören, die ihn lesen und schätzen. Damit würde auch in Zukunft sichergestellt, dass das eingesetzte Geld vollumfänglich diesem Medium zugutekommt. Wir erhoffen uns, dass Leserinnen und Leser damit auch grössere Beiträge spenden. Dass auch Gemeinden, Verbände, Organisationen, Unternehmen sehen, dass die Zeitung und der Onlineauftritt eine gute Sache ist. So soll sichergestellt werden, dass der «Berner Landbote» weiterentwickelt wird und die Kommunikation via Print und auch digital erhalten werden kann. Im Interesse der Region.