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Thun will attraktive Arbeitgeberin bleiben

Thun • Die Stadt Thun verabschiedete kürzlich ein teilrevidiertes Personalreglement. Oberstes Ziel dabei war, als Arbeitgeberin attraktiv zu bleiben. Denn auch die Stadt spürt als öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin den Fachkräftemangel.

| Adrian Hauser | Politik
Die Stadt Thun ist eine wichtige Arbeitgeberin in der Region. Bild: Adrian Hauser, farbgarage.ch

Die Stadt Thun verabschiedete an der letzten Gemeinderatssitzung im März für ihre Mitarbeitenden ein neues, teilrevidiertes Personalreglement. Das Geschäft geht zurück auf einen Auftrag des Gemeinderats an das Personalamt, das Lohnsystem ganzheitlich zu überprüfen. Dies nicht zuletzt auch aufgrund einer Interpellation der SP, die Situation der Angestellten in den tiefsten Lohnklassen zu überprüfen. Die Interpellation monierte, dass der Lohn in den untersten Lohnklassen nur knapp reiche, um die fixen Lebenshaltungskosten zu decken. «Eine Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben ist nur möglich, wenn auf andere wichtige Bedürfnisse verzichtet oder beispielsweise beim Essen gespart wird», schrieb die SP damals in ihrer Interpellation. Dies gelte insbesondere für Angestellte im Stundenlohn. Wenn sich der Lohn zudem unterhalb des Existenzminimums bewege, seien diese Personen auf eine Teilunterstützung durch die sozialen Dienste angewiesen. Zusammen mit einem externen Partner analysierte man in der Folge gemäss Gemeinderätin Andrea de Meuron, die für die Direktion Finanzen Ressourcen Umwelt zuständig ist, das gesamte Lohnsystem der Stadt. Resultat: Das Lohnsystem funktioniere grundsätzlich gut, in einzelnen Punkten bestehe aber Handlungsbedarf.

«Marktgerechte» Entlöhnung

Bei der Revision des Personalreglements standen folgende drei Massnahmen im Vordergrund: die Ausformulierung einer expliziten Lohnpolitik, die Implementierung einer regelmässigen Überprüfung der Löhne auf ihre Marktgerechtigkeit sowie die Entkoppelung möglicher Lohnerhöhungen von der Mitarbeitendenbeurteilung. Mit der Teilrevision will man auch einen Rahmen schaffen «für die Flexibilisierung und die zeitgerechte Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen». Dabei stehe die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeberin im Zentrum. Denn vom Fachkräftemangel sei nicht nur die Wirtschaft betroffen, sondern auch die Stadt Thun als öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin. «Wir sind herausgefordert, gutes Personal zu finden, um unseren Dienst an der Gesellschaft erfüllen zu können», sagte Andrea de Meuron. Bei der Überarbeitung des Personalreglements war auch die Gewerkschaft VPOD miteinbezogen, mit der man eine institutionalisierte Sozialpartnerschaft pflegt und welche die Überarbeitung des Personalreglements kritisch begleitete. Der VPOD ist gemäss dem Gemeinderat zeitgerecht über das Vorgehen und die Inhalte des Geschäfts informiert worden. In seiner Stellungnahme habe dieser zum Ausdruck gebracht, dass er sich mit den Anpassungen grundsätzlich einverstanden erkläre, unter anderem mit der prozessualen Trennung der Mitarbeitendenbeurteilung von der Vergabe von Lohnstufen. Gemäss dem Gemeinderat entlöhne die Stadt Thun ihre Mitarbeitenden bereits heute «marktgerecht, funktionsbezogen nach Anforderungen und Verantwortung und berücksichtigt dabei die Fähigkeiten, die Erfahrung, die Leistung und das Verhalten». Trotzdem wird in der teilrevidierten Fassung der Grundsatz «gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» explizit festgehalten. Dies ist gemäss dem Gemeinderat als ausdrückliches Bekenntnis zur Gleichstellung und Chancengleichheit für «Frauen und Männer» zu verstehen. Ein weiterer Punkt der Teilrevision betraf die Arbeitszeit. Grundsätzlich wollte man an der wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden festhalten. Bereits heute bestehen gemäss dem Gemeinderat innerhalb der Stadt Thun unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, die von der ordentlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden abweichen. Mit einer offeneren Formulierung der Bestimmung soll es gemäss dem Gemeinderat künftig möglich sein, beispielsweise ein Jahresarbeitszeitmodell einzuführen oder andere Arbeitszeitmodelle wie eine Vier-Tage-Woche zu pilotieren sowie die Arbeitsformen modern und flexibel auszugestalten. Dabei würden agile Arbeitsformen und zeitgemässe Anstellungsbedingungen im Vordergrund stehen. Und auch dies: um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Weiter soll mit dieser Flexibilisierung der Praxis und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Verwaltungseinheiten Rechnung getragen werden. Bei der Ausformulierung des Wortlautes der Bestimmungen zur Arbeitszeit verglich man sich auch mit dem Kanton, der Stadt Bern oder der Stadt Biel.

 Attraktivität nicht schmälern

In der Diskussion im Gemeinderat wurde die Teilrevision von allen Fraktionen sowie der Sachkommission gutgeheis­sen. Die Sachkommission begrüsste etwa, dass durch die Teilrevision die Attraktivität der Stadt Thun als Arbeitgeberin gesteigert werde. Die SP zeigte sich kritisch bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit. So ist in der revidierten Fassung festgehalten, dass der Gemeinderat in Form einer Verordnung Ausnahmen zur wöchentlichen festgesetzten Arbeitszeit von 41 Stunden festlegen kann. Die Attraktivität der Stadt Thun als Arbeitgeberin dürfe dadurch nicht geschmälert werden, so die SP. Sie vertraue jedoch darauf, dass der Gemeinderat in einem solchen Fall die Sozial­partner miteinbeziehe und nichts unternehme, was der Attraktivität der Stadt Thun als Arbeitgeberin schaden würde. Und schliesslich solle die Flexibilität in der Arbeitszeit auch dazu genutzt werden, um den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegenkommen zu können. Die Grünen ihrerseits begrüssten insbesondere den Grundsatz «gleicher Lohn für gleiche Arbeit». Und auch die SVP, die einen marginalen Änderungsantrag stellte, zeigte sich grösstenteils zufrieden mit der Teilrevision. Die SVP erinnerte an die Konkurrenzsituation unter den Arbeitgebenden, der auch eine Stadt Thun ausgesetzt sei. So zahle der Bund als öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber beispielsweise bessere Löhne als die Stadt Thun. Der Änderungsantrag der SVP betraf die individuellen Lohnerhöhungen. Der Antrag des Gemeinderats lautete, dass für individuelle Lohnerhöhungen im Budget jährlich «mindestens» 1,2 Prozent der Bruttolohnsumme zu Verfügung gestellt werden. Der Antrag der SVP, der letztendlich abgelehnt wurde, wollte «in der Regel» 1,2 Prozent der Bruttolohnsumme bereitstellen. Dies aus finanzpolitischen Gründen, um dem Gemeinderat diesbezüglich vor allem in schlechten Zeiten mehr Spielraum zu verschaffen. Gewisse Votanten fanden in der Diskussion, dass dieses Reglement insgesamt nicht «der grosse Wurf» sei. Dennoch wurde es letztendlich mit lediglich zwei Enthaltungen angenommen.

 «Sinnhaftigkeit und Stabilität»

Die zuständige Gemeinderätin Andrea de Meuron zeigte sich zufrieden mit dem Resultat der Debatte im Gemeinderat. «Der politische Prozess war sogfältig aufgegleist, und wir konnten auch die vorberatende Sachkommission überzeugen», erklärt Andrea de Meuron. Zur Kritik, dass es kein gros­ser Wurf sei, entgegnet sie, dass dieser auch nicht gesucht worden sei. Es sei viel mehr um eine Aktualisierung und Modernisierung des aktuellen Systems gegangen, das in seinen Grundsätzen gut funktioniert habe. Wichtigstes Anliegen sei die Lohngleichheit gewesen, die mit der Teilrevision nun gestärkt sei und auch bei den untersten Lohnklassen wie beim Reinigungspersonal greife. Der Fachkräftemangel ist gemäss Andrea de Meuron vor allem im IT-Bereich spürbar, doch als Arbeitgeberin habe die Stadt Thun auch einiges zu bieten, nämlich «Sinnhaftigkeit und Stabilität». «Wir bieten als Arbeitgeberin flexible Arbeitsplätze, eine moderne Infrastruktur und zeitgenössische Regelungen betreffend Homeoffice», erklärt Andrea de Meuron und verweist auf die Auszeichnung «Great Place to Work», die der Stadt kürzlich verliehen wurde.


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