Skip to main content

-


Anzeige


«Dem Wohl der Bevölkerung»

ARBEITNEHMENDE • Wer für eine Gemeinde arbeitet, verrichtet einen Dienst an der Allgemeinheit. Auch eine grosse Arbeitsplatzsicherheit macht eine Gemeinde als Arbeitgeberin attraktiv. Doch diese müssen dafür sorgen, dass sie ihre Attraktivität als Arbeitgeberinnen erhalten.

| Adrian Hauser | Politik
Thun sagt Ja zu einem neuen Personalreglement. Foto: Adrian Hauser, farbgarage.ch

Gemäss der Wirtschaftsprüfungs-, Treuhand- und Beratungsgesellschaft BDO sind gerade kleine und mittlere Gemeinden immer stärker mit der Problematik der Gewinnung und Weiterbeschäftigung von qualifiziertem und motiviertem Personal konfrontiert. Gemeindeverwaltungen stünden heute auf dem Arbeitsmarkt in einer direkten Konkurrenz mit Akteuren aus der Privatwirtschaft sowie anderen öffentlichen Institutionen. Mit diesen können sie gemäss BDO jedoch aufgrund ihrer teils veralteten und starren Strukturen oft nicht auf Augenhöhe in den Wettbewerb treten. In diesem Spannungsfeld müssen Gemeinden gemäss BDO nicht nur bei der Personalgewinnung die Anstrengungen erhöhen, sondern teils auch mit Abwerbeversuchen bei bestehenden Mitarbeitenden rechnen. Und das ist gefährlich! Denn die Erwartungen und Bedürfnisse der Bevölkerung, für welche die Gemeinden arbeiten, sind gross. Daher sind gerade sie auf qualifiziertes Personal angewiesen.

 Vergünstigte Zugänge

Doch eine Gemeinde hat als Arbeit­geberin durchaus etwas zu bieten. «Alle Tätigkeiten der Stadt Thun dienen dem Wohl der Bevölkerung», sagt etwa Christoph Kiener, stellvertretender Leiter des Personalamts der Stadt Thun. «Der Gedanke daran, einen Beitrag für die Menschen in Thun zu leisten, verleiht meiner Arbeit ihre Sinnhaftigkeit. Es ist ein erfüllendes Gefühl, Teil dieses Engagements zu sein.» Nebst der Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit profitieren Angestellte der Stadt Thun noch von weiteren Benefits wie Vergünstigungen in der Stadtbibliothek, 20 Prozent Rabatt beim Bezug von REKA-Geld, Gratiseintritt ins Strandbad, ins Schwäbis-Bad und in die Kunsteisbahn sowie Vergünstigungen in einem Blumenladen. In Bezug auf den Lohn kann man sich innerhalb der 60 Erfahrungsstufen in den verschiedenen Lohnklassen stetig nach oben entwickeln. Jährlich werden 1,2 Prozent der Bruttolohnsumme für die individuellen Lohnentwicklungen budgetiert. Die Stadt Thun zeigt sich diesbezüglich wie andere öffentlich-rechtliche Arbeitgeber also äusserst wohlwollend. «Im jährlichen Vergleich mit anderen Städten und Kantonen zeigt die Stadt Thun eine ausgewogene Gehaltsstruktur, die sowohl Alter, Geschlecht als auch Lohnklassen berücksichtigt», erklärt Christoph Kiener. Zudem gebe es die Möglichkeit, sich weiterzubilden und dadurch verantwortungsvollere Aufgaben zu übernehmen. Doch auch die Stadt Thun sei in gewissen Bereichen vom Fachkräftemangel betroffen, so im Bereich der Informatik. Schwierigkeiten bestünden aber auch bei der Rekrutierung von Projektleitenden mit besonderen Fachkenntnissen. «Um weiterhin als attraktive Arbeitgeberin zu überzeugen, engagiert sich die Stadt Thun aktiv in verschiedenen Bereichen. Zudem wird konsequent in die Ausbildung von Lernenden investiert, um langfristig qualifizierte Fachkräfte zu fördern», so Christoph Kiener.

Klar geregelte Arbeitszeit

«Für mich war schnell klar, dass ich eine KV-Lehre im Bereich der öffentlichen Verwaltung machen möchte», erklärt Yannik Jakob, Lernender bei der AHV-Zweigstelle Thun. Die Stadt bietet Lehrstellen in den verschiedensten Bereichen an. Nicht nur im Büro in den Bereichen Treuhand und Immobilien, öffentliche Verwaltung oder Information und Dokumentation, sondern auch in der Gärtnerei, im Landschaftsbau oder im Betriebsunterhalt. Eine Lehrstelle zu finden ist heutzutage nicht einfach. «Der nötige Aufwand für die Lehrstellensuche ist meiner Meinung nach recht gross», sagt Yannik Jakob. Der grösste Aufwand sei jedoch herauszufinden, was man überhaupt möchte. «Sobald man jedoch weiss, in welche Richtung man gehen möchte, gibt es heutzutage eine grosse Menge an hilfreichen Tools, welche die Suche nach der passenden Lehrstelle erleichtern und beispielsweise beim Erstellen des Bewerbungsdossiers helfen», so Yannik Jakob. Besonders gefällt ihm der Kundenkontakt, den er auf der AHV-Zweigstelle am Schalter habe. Gemeinsam mit der Kundschaft könne man nach Lösungen für die vielfältigen Anliegen und Problemen suchen. Und: Sämtliche Dienstleistungen der Verwaltung seien in erster Linie dazu da, den Einwohnerinnen und Einwohnern und deren Anliegen zu dienen. «Die tägliche Arbeit gestaltet sich sehr abwechslungsreich», berichtet Yannik Jakob. Als einen grossen Vorteil erachtet er auch die klar geregelte Arbeitszeit, die trotzdem eine gewisse Flexibilität und persönliche Freiheit zulasse. «Zudem ermöglicht mir die Lehre hier, eine grosse Breite an verschiedenen Themenbereichen kennenzulernen und in einzelne Bereiche auch bereits tiefer einzutauchen», so Yannik Jakob weiter. Nach der Lehre möchte er zunächst einmal in seinem erlernten Beruf weiterarbeiten. «Später werde ich mich dann sicherlich noch weiterbilden, vielleicht in Richtung Gemeindeschreiber oder Finanzverwalter, und eine
höhere Position innerhalb der Verwaltung anstreben.»

Sich seiner Rolle bewusst sein

Bereits seit 19 Jahren Gemeindeschreiberin in Riggisberg ist Karin Lüthi. Sie hat bereits ihre Lehre bei einer Gemeindeverwaltung gemacht und danach bei der Ausgleichskasse des Kantons sowie zwei weiteren Gemeinden gearbeitet. Sie schätzt die Gemeinde als sichere und sehr vielseitige Arbeitgeberin. Man tue etwas Sinnvolles für die Bevölkerung und habe eine hohe Selbstständigkeit. Die Gemeinde Riggisberg hat insgesamt rund 100 Mitarbeitende. Die Zusammenarbeit mit den gewählten Amtsträgern, also der Milizbehörde, empfindet sie als spannend, praxisnah und vielseitig. «Das Zusammenarbeiten mit den verschiedenen Menschen, ihren verschiedenen Kompetenzen und Erfahrungen ist sehr interessant und macht mir Freude», berichtet Karin Lüthi. Eine Herausforderung seien manchmal die fehlenden zeitlichen Ressourcen. 

«Wenn man als Gemeindepräsidentin oder als Gemeinderätin gewählt wird, ist man unweigerlich auf einen Schlag sehr nah bei der Verwaltung», berichtet Trudi Mösching, Gemeindepräsidentin von Uetendorf. Sie wurde vor rund zwei Jahren ins Amt gewählt und trat die Nachfolge von Bundesrat Albert Rösti an. Die Gemeinde Uetendorf beschäftigt insgesamt etwa 50 Festangestellte. In der Zusammenarbeit mit der Verwaltung ist ihr wichtig, dass sie sich als Gemeindepräsidentin ihrer Rolle bewusst ist. «Als Trägerin eines politischen Amtes bin ich strategisch und nicht operativ unterwegs», sagt sie. Das bedeute, dass man sich nicht in die Prozesse der Verwaltung einmischen und meinen solle, man müsse in diesem Feld selbst agieren. «Das funktioniert nicht», sagt sie. «Ratschläge einholen allerdings schon.»

Als Gemeindeschreiber wirke er gegenüber den gewählten Amtsträgerinnen und -trägern auch unterstützend, erklärt Silas Geissbühler, Gemeindeschreiber von Mirchel. Auf der Verwaltung in Mirchel arbeiten gerade mal überschaubare drei Personen. An der Arbeit für eine kleine Gemeinde schätzt er, dass er in verschiedene Bereiche hineinsieht und damit auch eine ein wenig Allrounder ist. Zuvor hat er bei einer grösseren Gemeinde im Kanton gearbeitet und war für seinen angestammten, aber auch klar abgegrenzten Bereich zuständig. Dies sei nun anders. In der Gemeinde Mirchel könne er weitgehend selbstständig unterwegs sein. Mit seinen knapp 30 Jahren könne er zwar nicht versprechen, dass er als Gemeindeschreiber pensioniert werde, doch zurzeit gefalle ihm diese Arbeit sehr gut. Auch er schätzt, dass man damit einen Dienst an der Bevölkerung leistet. 

Mehr Stabilität

Die öffentlich-rechtliche Hand ist gemäss all den gesammelten Voten noch weit davon entfernt, als Arbeitgeberin ein Imageproblem zu haben. Damit eine Gemeinde als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen werde, bedarf es gemäss BDO nebst einer abwechslungsreichen, herausfordernden Tätigkeit und ansprechenden Anstellungskonditionen auch eines marktgerechten Gehalts. Nebst dem Gehalt würden viele weitere Faktoren und Einflüsse eine relevante Rolle spielen, wie Betriebs- und Führungskultur, Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung oder Arbeitsplatzsicherheit. Und diesbezüglich kann eine Gemeinde bestimmt mehr Stabilität bieten als ein Unternehmen, das den rasch wechselnden Winden privater Finanzierung unterworfen ist.


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel


«Menschen brauchen Spielräume»

Politik • Raphael Lanz ist ein charismatisches Chamäleon: Er ist Jurist, Stadtpräsident, kandidiert für den Regierungsrat, baute ein Unternehmen auf, prägte die Entstehung des Parkhauses Schlossberg, hat soziale, kulturelle, wirtschaftliche und sportliche Mandate inne, ist Familienvater, Ehemann. T…
| Sonja Laurèle Bauer | Politik

Thun will attraktive Arbeitgeberin bleiben

Thun • Die Stadt Thun verabschiedete kürzlich ein teilrevidiertes Personalreglement. Oberstes Ziel dabei war, als Arbeitgeberin attraktiv zu bleiben. Denn auch die Stadt spürt als öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin den Fachkräftemangel.
| Adrian Hauser | Politik

Anzeige