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«Eine wichtige Brückenfunktion»

Regierungsstatthalteramt • Simone Tschopp wurde als Parteilose mit einem deutlichen Mehr wieder als Regierungsstatthalterin gewählt und tritt damit ihre zweite Amtszeit an. Im Interview erklärt sie, welche Werte ihr wichtig sind, und warum sie sich nicht als Politikerin versteht.

| Adrian Hauser | Politik
Simone Tschopp, Regierungsstatthalterin für den Verwaltungskreis Thun.

Zunächst herzliche Gratulation zur Wahl. Was ist Ihre Grundmotivation für dieses Amt?

Für mich nehmen Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Bevölkerung und dem Staat, aber auch zwischen den Gemeinden und dem Kanton wahr. Wir decken ein sehr vielfältiges Aufgabengebiet ab, das zu den spannendsten in der ganzen Verwaltung zählt. Und wir wenden zwar das Recht an, sind aber immer auch nahe an den Menschen. Das entspricht mir persönlich sehr.

Was haben Sie sich für die zweite Amtszeit vorgenommen?

Ich möchte den angefangenen Reformprozess zu Ende führen und hoffe, dass dadurch zumindest mittelfristig Ressourcen frei werden, um den Menschen besser erklären zu können, warum etwas so ist, wie es ist. Mehr Verständnis für die Umstände würde einiges vereinfachen und wohl auch zu mehr Zufriedenheit führen.

Ihnen wurde teilweise vorgeworfen, Sie seien nach aussen zu wenig sichtbar. Was sagen Sie dazu?

Ich verstehe mich nicht als Politikerin, sondern als Partnerin der Gemeinden und als der Unabhängigkeit verpflichtete Mandatsträgerin. Entsprechend nehme ich sehr gerne Einladungen an Gemeindejubiläen, Feuerwehranlässe und dergleichen an, die in einem engen Zusammenhang mit meiner täglichen Arbeit stehen. Zumeist wecken sie wenig mediales Interesse. Auch die weiteren Gefässe, in denen wir mit den Gemeinden, dem Kanton und Rechtssuchenden einen regelmässigen Austausch pflegen, sind in der Öffentlichkeit wenig sichtbar. Vielleicht ist dadurch bei einigen der Eindruck entstanden, ich sei wenig präsent. Dies trifft aus meiner Sicht aber nur für die politische Bühne und mediale Auftritte zu, die ich bewusst nicht suche.

Welches sind für Sie die grössten Erfolge der ersten Amtszeit?

Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns trotz der herausfordernden Ressourcensituation gelungen ist, die Geschäfts-
ein- und -ausgänge stabil zu halten, die Anzahl der weitergezogenen Entscheide zu reduzieren und oberinstanzlich vorab in Fällen korrigiert zu werden, in denen wir bewusst mutig entschieden haben, um eine Praxisfestlegung zu erreichen.

Wo besteht noch Verbesserungs­potenzial?

Eine grosse Herausforderung für die nächsten Jahre wird sicher die Digitalisierung sein. Denn wenn ihr Nutzen voll ausgeschöpft wird, besteht das Risiko, dass der persönliche Kontakt zu den Menschen verloren geht. Und dies wünschen sich viele – einschliesslich mir selbst – nicht.

Ihr Team hat Sie im Wahlkampf unterstützt. Wie ist die Stimmung in Ihrem Amt, und wie wichtig ist Ihnen das Team?

Wir sind alle sehr erleichtert, dass wir zusammen weiterarbeiten können. Aus meiner Sicht ist ein funktionierendes Team gerade bei knappen Ressourcen sehr wichtig. Und die gegenseitige Unterstützung, die wir im Team leben, trägt mich durch herausfordernde Situationen. Ich glaube, dass es meinen Mitarbeitenden gleich geht.

Wie sorgen Sie für ein gutes «Betriebsklima»?

Abgesehen von der gegenseitigen Unterstützung ist mir wichtig, dass wir offen kommunizieren. Meine Mitarbeitenden sollen neben den vielen Herausforderungen positive Erlebnisse sammeln können und in ihrem Beruf Erfüllung, Freude und Anerkennung finden. Dazu trägt auch mal ein Schwatz oder ein gemeinsames Feierabendgetränk bei.

Sie sind parteilos. Warum? Und was sind die Vor- und Nachteile davon?

Ich kann mich selbst keinem politischen Spektrum zuordnen. In gewissen Fragen teile ich eher bürgerliche Positionen. Persönlich sind mir aber auch Nachhaltigkeit und ein schonender Umgang mit unseren Ressourcen wichtig, also vorab grüne Werte. Im Vorfeld der Wahlen dürfte es ein Nachteil sein, nicht auf die feste politische Unterstützung einer Partei oder Parteiallianz zählen zu können. Auch eine Kampagne ist ohne Parteiapparat viel schwieriger zu organisieren. Für die Unabhängigkeit bei der Ausübung des Amts sehe ich in der ­Ungebundenheit dafür aber klare Vorteile. 

Trotz Parteilosigkeit: Welche politischen Werte sind Ihnen persönlich wichtig?

Ich glaube, dass ich ein typisches Kind meiner Generation bin. Fragen, die für andere vielleicht als politisch gelten, sind für mich eher persönliche Entscheidungen zu Konsum, Ethik oder Lebensstil, die jede und jeder für sich treffen und bei anderen respektieren sollte.

Man liest, dass Sie und Ihr Team viele Überstunden haben. Woran liegt das, und wie könnte sich das verbessern?

Ich denke, dass die Reduktion von 26 auf 10 Regierungsstatthalterämter vor 15 Jahren gewisse Auswirkungen hatte. Seither sind neue Aufgaben dazugekommen, die im Stellenplan nicht abgebildet sind. Ausserdem haben wir Stellen für sogenannte «Digitalisierungs­gewinne» abgebaut. In den Bewilligungs- und Beschwerdeverfahren haben die Geschäftszahlen über alles gesehen vielleicht kaum zugenommen, aber wir Statthalterinnen und Statthalter teilen den Eindruck, dass die Komplexität und vielerorts auch die Ansprüche gestiegen sind. Bei uns in Thun kommt hinzu, dass wir in einzelnen Gebieten, wie dem bäuerlichen Bodenrecht, zuletzt viel mehr Gesuche verzeichnet haben. Gleichzeitig hatten wir mit ungewöhnlich hohen Ausfällen wegen Pensionierungen, Krankheitsfällen und Unfällen sowie Sabbaticals zu kämpfen. Bei knapp dotierten Ressourcen wirkt sich dies für die Einzelnen sehr schnell in Mehr­arbeit aus, die wir durch Effizienzsteigerungen noch nicht wettmachen konnten. Neben einer Vereinfachung der Abläufe und der konsequenten Nutzung der Vorteile der Digitalisierung können wir vor allem durch Know-how-Transfer noch viel erreichen. Und wenn das nicht ausreichen sollte, wird man sich die Frage stellen müssen, ob wir Aufgaben abgeben können oder zusätzliche Ressourcen erhalten.

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Ich finde es wichtig, dass man sich selbst und sein Handeln stets infrage stellt. Klar formulierte Erwartungen und konstruktiv geäusserte Kritik tragen dazu bei, dass man die Aussensicht in diesen Prozess einbeziehen kann. So ergeben sich Optimierungsmöglichkeiten. Manchmal würde man aber auch nach nochmaligem Nachdenken nichts ändern. Dann sollte man sich meiner Meinung nach nicht aus Angst vor Kritik dazu bewegen lassen, auch wenn das zugegebenermassen nicht immer einfach ist.

Wo finden Sie einen Ausgleich zu Ihrem strengen Job?

Konstant gelingt mir dies am besten in meiner Beziehung. Wenn ich meinen Partner nach einem strengen Arbeitstag sehe, wir zusammen lachen und kochen, treten die grossen und kleinen Probleme für einen Moment in den Hintergrund. Für viel anderes, das mir wichtig wäre, hat mir in den letzten drei Jahren dagegen schlicht die Zeit gefehlt. Meine Familie und Freunde mussten viel zurückstecken. Auch für Sport hat es nicht immer so regelmässig gereicht, wie ich mir das gewünscht hätte. Und Konzert-, Theater- oder Ausstellungs­besuche waren seltene, aber dafür umso schönere Abwechslungen.

Sie verabschieden sich gleich in die Ferien: Wohin geht es, und worauf freuen Sie sich?

Wir reisen mit dem Nachtzug nach Apulien, in den südlichsten Stiefelabsatz von Italien. Ich hoffe, dass wir schon etwas Wärme und Sonne tanken können. Ausserdem freue ich mich auf die schmucken Städte und Dörfer, die schönen Strände und das feine Essen mit einem guten Glas Wein. Weil wir kleine, privat geführte Unterkünfte ausgesucht haben und mehrheitlich auf Landwirtschaftsbetrieben unterkommen, ergeben sich sicher auch spannende Begegnungen mit bewundernswerten Menschen. Ich schätze es jeweils sehr, für einen Moment das «Leben A» komplett hinter mir zu lassen und mich ganz auf Land und Leute an einem neuen Ort einzulassen. Das gibt mir einen Per­spektivenwechsel, aus dem ich sehr viel Energie ziehe.


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| Adrian Hauser | Politik

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