Finanzspritzen für fusionswillige Gemeinden
Hintergrund • Der Kanton unterstützt Gemeindefusionen mit Finanzbeiträgen und Beratung. Seit Anfang Jahr ist das revidierte Gesetz zur Förderung von Gemeindezusammenschlüssen in Kraft, das insbesondere die Schaffung von regionalen Zentren stärker begünstigen will.

Der Grosse Rat des Kantons Bern will Gemeindefusionen gezielt fördern. Dazu revidierte er vor rund einem Jahr das Gesetz zur Förderung von Gemeindezusammenschlüssen. Dass man den Zusammenschluss von Gemeinden fördern will, war bereits in der ersten Lesung vom März klar. Eine Mehrheit des Grossen Rates stellte sich hinter den Antrag der Regierung, Gemeindefusionen finanziell zu unterstützen, besonders, wenn dadurch ein regionales Zentrum entsteht. Dies ist dann der Fall, wenn sich Kleinstgemeinden einer grösseren Gemeinde in der Region anschliessen. Vorbereitet hat das Geschäft die Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK), die mit einem Minderheits- und einem Mehrheitsantrag vor den Grossen Rat trat. Uneinig war man sich insbesondere über die Höhe der Beiträge. Die Finanzspritze an fusionswillige Gemeinden besteht aus einer Grundpauschale und einem sogenannten Zusammenlegungsfaktor ab drei an der Fusion beteiligten Gemeinden. Bei der variablen Vergütung gemäss Anzahl Gemeinden wollte die Kommissionsminderheit grosszügiger sein als die Kommissionsmehrheit. Schliesslich setzte sich die Kommissionsmehrheit durch. Offen war nach der ersten Lesung noch, in welchem Mass man auch den Zusammenschluss von Burgergemeinden mitfinanzieren will. Bisher konnten nur politische Gemeinden und Kirchgemeinden die vollumfänglichen Fördergelder von den Abklärungen bis hin zur eigentlichen Fusion beantragen. Burgergemeinden und burgerliche Korporationen konnten lediglich das Beratungsangebot des Kantons in Anspruch nehmen. Der Grosse Rat ergänzte das Gesetz per Anfang 2025, so dass diese nun auf Antrag zusätzlich von finanziellen Beiträgen für die Abklärung einer Fusion profitieren können. Die Begründung war, dass Burgergemeinden einen wichtigen Beitrag ans Allgemeinwohl leisten.
Immer weniger Gemeinden
Seit 2003 bis Anfang Jahr ist die Anzahl Gemeinden im Kanton Bern von 400 auf 335 gesunken. Zu den 335 politischen Gemeinden kommen noch 1081 weitere öffentlich-rechtliche Körperschaften wie etwa Kirchgemeinden, Burgergemeinden oder Gemeindeverbände hinzu. Der Schweizer Föderalismus schlägt sich in diesem Bereich also besonders ausdrucksstark nieder. Von den 335 politischen Gemeinden im Kanton schrieben 2023 gemäss der Direktion für Inneres und Justiz ganze 116 rote Zahlen. Das sind 23 Gemeinden mehr als im Vorjahr. Zwar seien die Einnahmen der Gemeinden aus Steuern und Gebühren gestiegen, gleichzeitig jedoch auch die Ausgaben für Personal-, Betriebs- und Sachaufwendungen. Die Förderung von Fusionen hat gemäss dem Regierungsrat denn auch drei wesentliche Ziele: «die Steigerung der Leistungsfähigkeit, die Stärkung der Gemeindeautonomie, die wirksame und kostengünstige Leistungserbringung».
Doch: «Eine solche Fusion ist eine wahnsinnige Arbeit», erinnerte Grossrätin Verena Aebischer (SVP) aus Guggisberg als Sprecherin der SAK. Diese stehe und falle mit der Freiwilligkeit der Bevölkerung. Denn letztendlich müssten solche Entscheide von der Bevölkerung mitgetragen werden, damit es funktioniere. Denn die Bevölkerung hat das letzte Wort an der Urne. Ein Gemeinderat muss also ein grosses Mass an Überzeugungsarbeit leisten, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Daher wird bei Gemeindefusionen auch ein grosser Wert auf Kommunikationsarbeit und Partizipationsprozesse gelegt, die viel Aufwand, aber auch viel Geld kosten. Daher scheint die finanzielle Unterstützung durch den Kanton auch berechtigt. Simon Buri (GLP), Vizegemeindepräsident von Konolfingen, führte an der Debatte im Grossen Rat ins Feld, dass der Kanton Bern im Vergleich zu anderen Kantonen immer noch relativ kleinteilig unterwegs sei. Daher sei es angebracht, jene Gemeinden zu unterstützen, die sich freiwillig zusammenschliessen wollen. Dies, obwohl die «Freiwilligkeit» manchmal auch aus einer Notwendigkeit entstehen kann. Zum Beispiel dann, wenn die Ämter nicht mehr besetzt werden können, weil sich niemand dafür interessiert. Hier zeigt sich die Grenze einer kleingliedrigen Basisdemokratie, die mit den drei Ebenen «Gemeinde», «Kanton», «Bund» extrem aufwendig und letztendlich auch teuer ist. Es wird nicht mehr von allen (aktiv) mitgetragen, das politische Interesse sinkt vielerorts.
Zu den Burgergemeinden hatte Regierungsrätin Evi Allemann (SP) während der Debatte zur ersten Lesung eine relativ klare Haltung: Sie könne das Bedürfnis nach Fusionsunterstützung bei den Burgergemeinden zwar durchaus nachvollziehen, doch das Bedürfnis nach Fusionen sei in den letzten Jahren nicht sehr gross gewesen. Und die Motivation sei eine andere. Nämlich das Rechnungslegungsmodell HRM2. Alle Körperschaften, die dem Gemeindegesetz unterstellt sind, müssen ihre Rechnungslegung nach diesem Modell vornehmen. «Das ist vielen Burgergemeinden nicht zupass gekommen», erklärte Evi Allemann. Der Grosse Rat kam schliesslich dem Antrag der SAK nach, den Burgergemeinden zusätzlich Abklärungsbeiträge zu gewähren.
Es geht um Identität
Dass Gemeindefusionen zuweilen sehr zäh und mit ungewissem Ausgang verlaufen können, kann man den Medien entnehmen. Berühmtes Beispiel: Nach jahrelangen Gesprächen und Verhandlungen scheiterte die Fusion von Bern und Ostermundigen an der Urne. Bern stimmte zwar zu, aber Ostermundigen wollte nicht. Zuvor haben einige Gemeinden rund um Bern nach einer entsprechenden Machbarkeitsstudie einer Fusion mit der Stadt gleich zu Beginn abgewunken. Dies entschied die Bevölkerung an der Urne. Denn bei Gemeindefusionen geht es nicht nur um Strukturen, sondern auch um die eigene Identität und die Angst vor einen Identitätsverlust. Trotzdem klappt es auch vielerorts, wie die sinkende Anzahl von Gemeinden zeigt. Und es ist anzunehmen, dass dieser Sinkflug nicht zuletzt wegen der staatlichen Förderung weitergeht.