«Nicht einfach eine Gemeinde – meine Heimat»
Münsingen • Ab Januar 2026 tritt Stefanie Feller ihr Amt als Gemeindepräsidentin an. Sie erhielt 75 Prozent der Stimmen. Einst war bereits ihr Vater Gemeindepräsident. «Ich möchte Münsingen lebendig halten, wie es ist, und mit anderen Gemeinden im Austausch bleiben», sagt die studierte Anwältin.

Drei Stunden vor unserem Treffen ruft Stefanie Feller an: Sie schaffe es nicht ganz, um 17.30 Uhr zu unserem gemeinsamen Termin im Restaurant Schlossgut zu sein, sagt sie. «Kein Problem», sage ich und frage, wann sie denn kommen würde? Sie würde gern den späteren Zug nehmen, damit sie ihre Arbeit noch fertig machen könne, sagt sie. Was bedeute, dass sie, das Herüberlaufen vom Bahnhof eingerechnet, «erst um 16.35 Uhr vor Ort sein werde …»
Dies Intermezzo sagt viel aus über die neue Gemeindepräsidentin: Dass sie top zuverlässig ist. Dass sie die Dinge, die sie anpackt, genau nimmt. Dass sie andere Menschen ernst nimmt. Dass sie auf die Umwelt achtet … Und sie kommt auf die Minute genau. Kant könnte die Uhr nach ihr stellen. Und sie ist, wie sie ist: Erst zurückhaltend, fast schüchtern, bald selbstsicher. Schliesslich weiss sie, was sie kann. Und sie ist unkompliziert, zugänglich, dem Gegenüber zugewandt, verständnisvoll, herzlich und sehr menschlich. Doch Vorsicht: Ein Narr, wer sie unterschätzen sollte. Äussert sie Meinungen, so hat sie diese geprüft. Sie ist eine Strategin, ganz bestimmt. Wer nun noch weiss, dass Stefanie Feller eine versierte und erprobte Anwältin ist, die voll und ganz im Leben steht, weiss, dass Münsingen gute Zeiten vor sich hat.
Das grosse Vertrauen
«Ich freue mich sehr über die Wahl», strahlt sie. Schliesslich gönnt ihr die Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner von Münsingen das Resultat, wie die Zahlen zeigen. Sie sei überwältigt gewesen. «Es war schön, dass meine Familie, Freunde, unser GLP-Team und so viele Menschen da waren.» Schliesslich war der Glückstaumel gross. «Das Vertrauen, das mir auch von Menschen, die mich nicht kennen, entgegengebracht wird, macht dankbar und demütig.» Druck verspüre sie nicht, vielmehr sporne sie das Vertrauen an. Sie wisse, dass man es nie allen recht machen könne. «Ich bleibe, wer ich bin. Und mache die Dinge, die ich beginne, richtig.» Sie wolle auch jenen zuhören, die nicht einverstanden seien mit dem, was sie tue. «Der Austausch ist wichtig. Wer immer nur hören will, er sei gut, stagniert.»
Zurzeit hat Feller die stellvertretende Leitung des Fachbereichs Gemeinderecht beim Kanton Bern inne. «Wir sind ein eingespieltes, sehr gutes Team, das eng zusammenarbeitet.» So bedaure sie auch, dieses Team zu verlassen. Sie geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. 13 Jahre war sie im Team tätig. «Ich lernte viel. Ich wünsche mir, dass ich meiner Nachfolge mein erlerntes Wissen daraus so gut wie möglich weitergeben kann», sagt sie. Auch hier übernimmt sie Verantwortung. Eigentlich mache sie als Gemeindepräsidentin weiterhin viel Rechtliches im Gemeinde-
umfeld. «Der Beruf bleibt ja derselbe.» Sie werde nicht mehr alle Gemeinden objektiv-rechtlich beraten, sondern ihre fachliche Erfahrung eben nur noch für Münsingen einbringen. «Und Münsingen ist nicht einfach eine Gemeinde, sondern meine Heimat!», freut sie sich. Schliesslich lebt sie hier, seit sie zwei Jahre alt war. Mit wenigen Ausnahmen während des Studiums.
«Ich mag die Menschen»
Feller studierte Rechtswissenschaft an der Uni Bern und machte direkt darauf das Anwaltspatent. Es folgten Praktika, und weil ihr das Gemeinderecht sehr zusagte, spezialisierte sie sich darauf. «Das Gemeindeumfeld ist meine Welt. Man hat so viel mit unterschiedlichen Menschen zu tun: Mit Gemeindeangestellten, mit politischen Behörden. Mit anderen Gemeinden.» Nun könne sie sich voll und ganz für Münsingen einsetzen. «Ich bin verankert hier und kenne die Gemeindeanliegen. Durch mein berufliches Netzwerk erhoffe ich mir, dass wir noch mehr mit anderen Gemeinden zusammenarbeiten können.» Natürlich wolle sie sich auch in kantonalen, grösseren Projekten engagieren. Münsingen sei für sie auch von der Grösse her genau richtig, so Feller: «Mit 13 500 Einwohnerinnen und Einwohnern bleibt die Gemeinde überschaubar, man kann die Entwicklungen steuern, kennt die Menschen, kann mit dem Parlament zusammenarbeiten.» Auch sei sie weniger die Politikerin, die vor allem an der Politik als Strategie interessiert sei. «Ich interessiere mich mehr für die Sache, für unsere aktuellen Geschäfte.» Sie sei kein «Parteisoldat», schmunzelt sie. «Was ich will, ist das Bestmögliche für die Gemeinde.» Ihr sei es ein Anliegen, parteiübergreifend und verbindend zu agieren. «Ich möchte ein Bindeglied sein, zwischen Interessen und Beteiligten. Ich möchte die Menschen an den Tisch bringen, mit ihnen reden, gemeinsam ein Projekt entwickeln.» Von verschiedenen Meinungen könne man profitieren, daraus lernen, weiterdenken. «Jedes Anliegen hat eine Antwort verdient.» Schliesslich kann die 41-Jährige auf eine grosse berufliche Erfahrung zurückblicken, hat viel zu geben. Klar, die kommenden Jahre werden herausfordernd, dessen sei sie sich bewusst. Und so habe sie sich nicht nur einmal gefragt, ob sie dem gewachsen sei. Feller ist reflektiert, ehrlich zu sich selbst und den andern. «Doch wenn ich jeden Tag mein Bestes gebe, wenn ich auf meinen Kopf, aber auch auf meinen Bauch höre, wenn ich aus meiner Erfahrung schöpfe, wenn ich meine Entscheidungen so treffe, dass ich davon ausgehen kann, dass es für die Gemeinde das Beste ist, dann hoffe ich, dass es eine zukunftsorientierte und tragfähige Lösung sein wird.»
Kommunikation festigt Vertrauen
Sie ehrt den aktuellen Gemeindepräsidenten, Beat Moser, der ihr auch Vorbild sei. «Er hat viel erreicht, ist unermüdlich, lässt keine Sekunde nach, bleibt an allem voll dran. Ist stets freundlich und engagiert, und, und …» Auch sie wolle stets offen kommunizieren und rechtzeitig informieren, sagt Stefanie Feller. Sie habe beispielsweise mit Nachkrediten vors Parlament treten müssen. «Ich bin der Überzeugung, dass man, auch wenn etwas unangenehm ist, nichts zurückhalten darf. Dass man ehrlich und transparent sein muss. Dass man die Dinge, wie sie liegen, früh kommunizieren muss. Denn genau darauf baut das Vertrauen der Mitmenschen.» Verloren sei es schnell. Doch wenn man offen und ehrlich sei, gelinge es. Sie als Präsidentin trage die Verantwortung. Auch, wenn sie Entscheide umsetzen müsse, die sie nicht allein gefällt habe und die vielleicht nicht allen gefielen. Deshalb: «Wenn ich früh offen kommuniziere, können gemeinsam Lösungen gefunden und Verständnis geschaffen werden, davon bin ich überzeugt.» Und man sei ja nie allein. Der Gemeinderat sei ein Team und unterstütze die Präsidentin.
Die Lebenskluge
Das Gespräch mit Stefanie Feller bleibt spannend. Irgendwann sind wir im puren Leben, weit über ihren Beruf und ihre Berufung hinaus. Feller ist eine spannende, reife Persönlichkeit mit klarer Haltung, die aber dehnbar bleibt, änderbar, wenn sie etwas Neues überzeugt. Sie beweist ihre Offenheit, hält aber nicht mit ihren Gedanken, ihrer Meinung zurück. Wir sprechen über Handys in der Schule. «Ich finde nicht, dass ein Verbot das Richtige ist, vielmehr muss man Verständnis für deren Schädlichkeit – in Bezug auf das Süchtig-Werden – schaffen und mit den Lehrpersonen zusammen geeignete Massnahmen für den Alltag finden.»
Zurück zu Münsingen: «Wir haben bereits eine wunderbare Gemeinde. Ein schönes Dorf mit vielen Ladengeschäften, funktionierenden KMU, aktivem Gewerbe, Restaurants, Spielplätzen. Wir haben Menschen, die sich mittels Vereinen für die verschiedensten Dinge einsetzen, und Firmen, die das finanziell mittragen helfen: Dafür, dass sich junge und ältere Menschen wohl fühlen, dass Kinder ihre Hobbys ausführen können …» Feller erwähnt auch den Pumptrack für Jugendliche. «Dass ausländische Personen gut integriert werden, usw.» Damit dies so bleibe, müsse auch vonseiten der Gemeinde etwas dafür getan werden. Münsingen habe eine moderne Infrastruktur, die noch ausgebaut werden könne: Mit Bahn-Anschluss im Viertelstundentakt. Mit noch besseren Veloverbindungen. An der Schulraumplanung sei man dran. «Damit unsere Anlagen danach wieder top sind. Dass wir eine moderne Schule mit guten Betreuungsangeboten haben werden. Mit Tagesschulen auf dem Schulgelände.» Im ehemaligen Spital solle ein integriertes Gesundheitszentrum entstehen. «Das Gebäude steht fast leer, nun braucht es auch die Gemeinde, um das entstehende Projekt vorantreiben und gemeinsam mit der Ärzteschaft und Investoren umsetzen zu können.» Im Energiebereich sei Münsingen «gut unterwegs». «Wir haben umweltfreundlich Dienstleistungen. Diese möchte ich weiterentwickeln. Die Vorbildrolle bewahren. Auf erneuerbare Energie-Versorgung umstellen. Dort sind wir noch nicht so weit, wie ich sein möchte.» Denn die beiden Fernwärmeverbünde seien noch nicht erneuerbar. Feller wünscht sich, in der Gemeinde selbst mehr Strom produzieren zu können. «Durch zusätzliche Solaranlagen auf den eigenen Dächern könnten Elektrofahrzeuge und Anlagen mit Strom versortgt werden.» Sie freue sich auf das neue Gemeindehaus, das eine neue Dimension sein werde. «Damit wird man zeigen können, wie ein fast autarkes Gebäude funktioniert.» Es seien viele gute Dinge «am Laufen». «Wir werden allerdings auch die Finanzen im Auge behalten!» Dies alles sei eine Herausforderung, die sie gern annehme. «Denn wir haben unter anderem unseren Boden, den man gezielt nutzen kann.» Sie nennt das nach innen verdichten, nach innen zu bauen, statt die freien Flächen zu verbauen, dafür konzentrierter. «Wir haben die Liegenschaften der Gemeinde. Es gilt, die Parzellen, die bestehen, möglichst sinnvoll zu nutzen. Für die Aufgabenerfüllung der Gemeinde oder als Einnahmequelle, als sogenanntes Finanzvermögen.» Dort gebe es Spielraum. Gerade werde an einer Gesamt-Immobilienstrategie gearbeitet, die Überblick über alle Grundstücke gebe, damit entschieden werden könne, wohin die Entwicklung gehe und wo allenfalls desinvestiert werden könne.
Das Sonnenkind
Stefanie Feller lebt mit ihrem Partner in der Erlenau, wo sie sich sehr wohl fühlt. Eine Art Meditation sei für sie das Bepflanzen der Blumentröge auf der Terrasse, oder das Auszupfen von Unkraut, lacht sie. Wenn sie, neben ihrem Vollzeit-Job und der Gemeinderatsarbeit, freie Zeit habe, so gehe sie diese sportlich an. Die Montagabende halte sie sich frei, um mit «ihren» Frauen Volleyball zu spielen. Mit ihrem Partner reise und wandere sie gern. So viel Zeit wie möglich verbringe sie auch mit den Eltern und ihrem «Gotti-Mädchen» und dessen Bruder und Familie, also Fellers Bruder und dessen Frau. Und mit ihren Freunden und dem kleinen Gotte-Bueb, dessen grosser Schwester und der Familie. «Ich bin ein Sonnenkind», lacht sie – und sie lacht oft und gern –, «ich liebe Sonnenschein. Sei es im Sommer am Murtensee mit meiner Familie oder im Winter auf der Piste beim Skifahren und Snowboarden.» Und ihr Vater, der einst selbst Gemeindepräsident war, ist er stolz auf seine Tochter, als erste weibliche Gemeindepräsidentin von Münsingen? «Ich glaube sehr. Obwohl er sein ehemaliges Amt bewusst in den Hintergrund stellt.» Die Eltern hätten vor ihrer Wahl in der ganzen Gemeinde Flyer für ihre Tochter verteilt. «Das hat mich gefreut. Ihre Unterstützung bedeutet mir viel.» Natürlich hätten die Eltern, als sie Kind gewesen sei, am Mittagstisch über die Gemeinde gesprochen. «Aber nicht nur mein Vater war für eine Gemeinde tätig, auch meine Mutter. Sie war Finanzverwalterin.» So bestehe der Bezug zur Gemeinde Münsingen und dem Gemeinwesen allgemein schon sehr lang. «Die Gemeindeebene ist die richtige Ebene für mich», betont sie nochmals. «Denn hier fühle ich mich wohl, habe Einblick und hier kann ich mich wirklich für tragfähige Lösungen einsetzen und mit der Bevölkerung direkt im Austausch sein.»